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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Eyes. Ich sage dir, im Dorf leben höchstens noch halb so viel Leute wie vorher. Die Totengräber sind mit ’m Schaufeln gar nicht nachgekommen, und dieser gottverdammte Priester konnte gar nicht so schnell beten wie die Leute verreckt sind. Kein Auge konnte ich mehr zutun, so oft haben die verfluchten Glocken von der Kirche gebimmelt. Ich hab’...«
    »Mutter hat sich angesteckt?«
    »Ja, erst mal gar nicht. Bei uns im Haus hatten’s die Leute natürlich auch, aber damit wird Vater ja fertig. Sind alle im Keller krepiert. Nur die alte Nan lebt noch und macht uns wahnsinnig mit ihrer verdammten Zauberkugel!«
    »Was ist mit Mutter?« Mary hätte Edward am liebsten geschüttelt.

    Der grinste behaglich. »Also, alles war schon wieder vorbei und wir feiern noch, daß wir durchgekommen sind, da legt sich das Weib doch plötzlich hin, kriegt Fieber und Flecken im Gesicht und fängt ganz irr zu reden an, daß wir denken, die stirbt noch in der nächsten Nacht. Tut sie dann nicht, es wird besser, aber dann wieder schlimmer, und der Doktor meint, da ist nichts mehr zu machen. Wird bei so einer wie Lettice sicher ’n langer Todeskampf, meint er, aber zum Schluß erwischt sie’s doch!«
    »O nein«, murmelte Mary. Sie mußte sich am Geländer festhalten, weil ihr der Boden unter den Füßen schwankte. Der Gedanke, daß Lettice krank sein könnte, sterbenskrank, überstieg ihre Vorstellungskraft, und dies war es, was sie in diesem Moment mehr erschütterte als der Schmerz darüber, daß ihre Mutter sterben würde.
    »Sie möchte, daß ich komme?« fragte sie leise.
    Edward nickte. »Allerdings, das möchte sie. Will sie unbedingt. Gehört sich auch so, oder nicht?«
    Ein Schatten fiel in die Halle. Auf dem unteren Treppenabsatz war Anne Brisbane aufgetaucht, streng und unnahbar wie stets.
    »Ich höre, deine Mutter ist krank, Mary«, sagte sie, »das tut mir sehr leid.«
    Mary sah zu ihr auf. Das glatte Gesicht verriet keine Regung, aber Mary hatte den sicheren Eindruck, daß sie die Wendung der Geschehnisse begrüßte.
    Mit harter Stimme entgegnete sie: »Ja, sie ist krank, und sie wird wohl sterben. Sie möchte mich sehen.«
    »Du wirst zu ihr gehen müssen.«
    Mary preßte die Lippen aufeinander. Ja, natürlich, jeder fand es ganz selbstverständlich, daß sie herbeieilte, wenn ihre sterbende Mutter nach ihr verlangte. Todgeweihten schlug man keinen Wunsch ab, schon gar nicht der eigenen Mutter. Und wen kümmerte es schon, daß sie, solange sie lebte, vergeblich um Lettices Liebe und Aufmerksamkeit geworben hatte und von ihr immer nur wie ein Stück Dreck behandelt worden war.
    »Ich komme mit dir, Edward«, sagte sie, »Herrgott, Mutter«, sie schlug mit der Faust auf das Treppengeländer und dachte an die vier Monate in Shadow’s Eyes, die sie ohne Frederic verbringen
mußte, »hättest du mir nicht wenigstens diesen letzten Frühling in London noch gönnen können?«
     
    Es war schon dunkel, als sie die Tür zum Sherwood Inn aufstieß und den düsteren Schankraum betrat. Ihr Atem ging schnell, ihre Wangen glühten, denn sie war den ganzen Weg bis hierher gerannt, ohne auch nur ein einziges Mal stehen zu bleiben. Im Westen der Stadt ging über den Wäldern hinter Turnham Green rotleuchtend die Sonne unter, und rosafarbene Wolken zogen über den blaßblauen Abendhimmel. Edward, müde von der Reise und benommen vom Alkohol, hatte sich schlafen gelegt und sofort laut zu schnarchen begonnen. Anne hatte sich ebenfalls zurückgezogen, aber Mary hatte keine Ruhe finden können. So hatte sie schließlich das Haus verlassen und erst an der London Bridge hatte sie gemerkt, welchen Weg sie unwillkürlich gegangen war.
    Will Shannon schlurfte hinter seinem Vorhang hervor, als Mary eintrat und grinste breit.
    »Lange nicht gesehen«, murmelte er, »und viel passiert in der Zwischenzeit, nicht? So viele Tote...«
    Natürlich wußte er, daß Cavendor gestorben war, aber Will Shannon war unter anderem deshalb in der Halbwelt so beliebt, weil er nie Fragen stellte. Das tat er auch jetzt nicht, machte nur eine einladende Bewegung zu seinem Schanktisch hin.
    »Was zu trinken?«
    »Nein danke. Mr. Shannon, ich würde gern mit Nicolas de Maurois sprechen. Können Sie mir sagen, wo er ist?«
    »Nicolas? Der ist mal hier, mal dort! Aber wenn sie die alte Ratte heute nicht zufällig in Tyburn gehängt haben, dann taucht sie hier noch auf. Nicolas kommt fast jede Nacht zum alten Will und trinkt mit ihm.«
    »Darf ich warten?«
    »Setz

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