Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
und hat ihn geheiratet. Na ja, er hat von allen noch das meiste Geld im Dorf. Nun zieht sie seine mißratene Brut auf und wirft selber eines nach dem anderen und wird bis an ihr Lebensende in diesem verfluchten Dorf sitzen.«
»Und kommt sie manchmal her?«
Lettice lachte. »Jetzt, wo ich krank bin, natürlich nicht. Worüber ich froh bin. Wenn ich die ewig trächtige Kuh nur sehe, wird mir schon schlecht.«
Mary hätte gern gefragt, ob es für Lettice überhaupt einen Menschen auf der Welt gab, den sie liebte oder zumindest achtete, aber es schien ihr nicht der richtige Zeitpunkt für eine solche Frage. Sie überlegte, ob es für Lettice wohl jemals eine Zeit gegeben hatte, in ihrer ganz frühen Jugend vielleicht, in der sie noch weich und empfindsam gewesen war und an Glück oder Liebe oder irgend etwas Gutes geglaubt hatte.
In den nächsten Tagen arbeitete Mary von morgens bis abends. Es kostete sie eine Unmenge Zeit, das verdreckte Haus in Ordnung zu bringen, und auch, es in Ordnung zu halten. Nach wie vor ließen Edward und Ambrose jedes angenagte Stück Brot, jedes halbfaulige Fleisch dort fallen, wo sie gerade standen, oder kippten Bierreste,
die sie nicht mehr mochten, einfach auf den Fußboden. Mary schrubbte, putzte und kehrte, denn sie hielt es in einem solchen Dreck einfach nicht aus. Sie wusch ihre Kleider und die von Lettice und verbrannte die Decken und Kleider der im Keller vom Fleckfieber verstorbenen Armen. Sie durchsuchte das ganze Haus, auch Lettices so sorgsam gehüteten Vorratsraum nach etwas Eßbarem, aber alles war verdorben und faulte vor sich hin. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als im Dorf neue Lebensmittel zu kaufen, und sie benutzte dazu die Kupfermünzen, die sie dem toten Lord Cavendor in jener kalten Oktobernacht abgenommen und seither sorgsam im Saum ihres Unterrocks eingenäht bei sich getragen hatte. Es ärgerte sie, das Geld dafür auszugeben, zumal nicht nur sie und Lettice davon profitierten, sondern auch Ambrose und Edward. Von all den Suppen, die sie kochte, von Fleisch und Eiern, die sie briet, gab sie ihnen etwas ab, weil sie fürchtete, daß ein stillschweigendes Übergehen einen bösen Streit provozieren könnte. Sie empfand nicht mehr jene atemlose Angst vor den beiden wie als Kind, aber sie konnte nicht an der Tatsache vorbei, daß sie stärker waren und außerdem zu zweit und daß sie ihnen hier unterlegen wäre. Es wunderte sie, daß sie mit Lettice bereitwillig teilte, Ambrose und Edward ihre Teller jedoch nur voll verhaltener Wut vorsetzte. Dabei waren Lettices wohldurchdachte Bosheiten, ihre unverhohlene Verachtung viel schmerzhafter gewesen als Ambroses und Edwards Brutalität. Doch fiel es ihr leichter, Lettice zu vergeben, und das konnte nicht nur an ihrer Krankheit liegen. Schließlich kam sie zu dem Schluß, daß sie jedes Vergehen der Welt möglicherweise verzeihen konnte, jedoch niemals Dummheit. Und Ambrose und Edward waren dümmer, als sie ertragen konnte.
Sie hielten sich zurück in diesen Tagen, denn der Gedanke an die totkranke Lettice lähmte sie. Meistens saßen sie einander in der Küche schweigend gegenüber, wie am ersten Tag, als Mary kam. Ambrose bekam kaum noch Geld von der Kirche, denn die hatten selber nicht mehr viel, und außerdem war bekannt, daß außer Nan kein Bewohner des Armenhauses mehr lebte. Aber von den wenigen Münzen, die er noch erhielt, kaufte Ambrose Bier, von dem er erstaunlicherweise sogar Edward etwas abgab.
Einmal, als Mary ihm seinen Teller mit Essen reichte, blickte er auf und sagte: »Es ist gut, wieder eine Frau im Haus zu haben!«
Mary erschrak. Sie wußte, daß sie auf der Hut sein mußte. Für ihren Vater waren Frauen nichts als Bedienstete; gewöhnte er sich zu sehr an die Bequemlichkeit, die sie ihm bereitete, würde er alles tun, ihre Heirat zu verhindern. Von nun an ließ sie das Essen, das sie gekocht hatte, nur auf dem Ofen stehen und sagte, er solle sich etwas nehmen, wenn er Hunger habe. Sie selber aß oben in ihrer Kammer, und dorthin zog sie sich auch zurück, wenn es nichts mehr zu tun gab und Lettice endlich einmal eingeschlafen war und sie nicht brauchte. Einmal erschien Bess, die erfahren hatte, daß ihre Schwester in Shadow’s Eyes war. Sie brannte darauf zu sehen, ob Mary sich verändert hatte und stellte überrascht fest, daß ihre Schwester erwachsen geworden war.
Mary ihrerseits fand, Bess hielte sich, dafür, daß sie mit dem nach Ambrose widerlichsten Kerl von Shadow’s Eyes
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