Die Sternenkrone
anderen.« Dann folgen Zahlen, eine Art rhythmischer Sequenz: »... null, vier, fünf.« Das ist der Schluß.
»Es könnte sich um Koordinaten handeln«, flüstert George. »Natürlich in ihrer eigenen Arithmetik. Frag ihn, ob sie andere Welten gekannt haben.«
»O ja«, dringt die Antwort zu mir. »Du hast diese Geschöpfe hier Menschen genannt. Ich glaube, ich habe dieses Wort schon einmal gehört.«
»Dann besteht die Hoffnung, daß wir euren Planeten auf unseren Sternkarten finden«, meint George, als ich ihm das sage.
»Bitte ihn doch, noch etwas in eurer alten Sprache zu sagen, aber mit einer Übersetzung dazu«, sagt June. »So etwas wie >wir sind verunglückt und brauchen Hilfe, um nach Hause zurückzukehren. Wenn wir eure ursprünglichen Wirte finden, können wir ihnen das vorspielen.«
Mit feierlichem Ernst folgt der alte Telepath diesem Vorschlag.
Wir stellen ihm noch ein paar Fragen, doch er wird sichtlich müde. »Euer Glück übersteigt alle Vorstellungskraft«, sendet er meinem Gefährten und mir. »Ihr werdet zu einem der mächtigen sternfahrenden Völkern des Weltalls gehören, während ich, ohne meine Heimat wiedergesehen zu haben, im Staub eines fremden Planeten sterbe.«
Mir kommen fast die Tränen, und ich merke, daß Clare und Gefährte ebenso tief berührt sind. »Können wir irgend etwas für dich tun, bevor wir gehen?«
»Nein, ich danke euch. Ich habe meine Gehilfen, durch deren Augen ich den Schein der Sterne am Himmel sehe.«
»Könntest du nicht in meinem Kopf wohnen?« fragt June impulsiv. »Dann könntest du auch mit uns kommen.«
»Ich danke dir von Herzen, Menschenfrau. Aber ich bin zu alt für einen weiteren Wechsel. Außerdem könnte ich in deinen knochigen Körper nur einziehen, wenn er aufgesprengt wäre. Doch deine Großherzigkeit wärmt meine alten Wurzeln.«
»Uff!« sagt George zu June, als wir in das Schiff zurückkehren. »Das hat mich gerade noch mal davor bewahrt, dir den Kopf aufhacken zu müssen, du kleine Wohltäterin!«
So endet es. Ich bin in einem Raumschiff, mit einer fremden Rasse zusammen auf der Suche nach meinem Zuhause. Während eines einzigen langen Tages bin ich von einer Wasserpflanze zu einem Wesen geworden, dessen Ursprung zwischen den fernen unbekannten Sternen liegt, dessen Vorväter in einem Raumschiff zu diesem Planeten hier kamen. Möglich, daß wir meine Heimat nicht finden werden, so lange ich lebe. Doch die Menschen haben gemeint, daß Gefährte und ich auch bei ihnen bleiben könnten und daß wir beide großen Ruhm als Heiler erwerben würden. Ich hoffe, daß wir unsere Heimat und unsere richtigen Wirte finden – oh, ich hoffe es so sehr! Aber wenn nicht, wäre es auch zu ertragen. Gefährte ist ja bei mir. Wir könnten Junge haben und ein Zuhause zwischen diesen Fremden finden, in welchen Körpern auch immer.
Ich werde jetzt um einen ihrer >Recorder< bitten, damit ich die Ereignisse aufzeichnen kann, solange sie noch frisch in meinem Gedächtnis sind. Ich muß dazu die menschliche Sprache benutzen – ich kenne keine andere. Wer weiß, wo diese Aufzeichnungen einmal enden werden? Als Abenteuerlegende auf unserem Heimatplaneten oder bei den Menschen, um den Ursprung unserer Kolonie bei ihnen zu dokumentieren?
Ich bedaure nur, daß ich den Älteren nicht nach dem Namen unserer Rasse gefragt habe. So muß ich die Aufzeichnung mit dem Satz beginnen: Tag Eins in der Geschichte eines unbekannten Volkes.
Orignaltitel >Come Live with Me<
Copyright © 1988 by the Estate of Alice B. Sheldon
Copyright © l 999 der deutschen Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag, München
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christian Lautenschlag
Diese Nacht und alle Nächte
(Last Night And Every Night)
Nicht, daß er überhaupt keine Vorstellungskraft besessen hätte. Während er darauf wartete, daß die Kuh herauskam, konnte er die Wirkung seiner scharfumrissenen schwarzen Silhouette im Schein des Laternenlichts, das Glanzlicht seines hellen glatten Haares, durchaus einschätzen. Dunkelheit, Regen, eine menschenleere Straße in der Innenstadt, Verkehrsgeräusche im Hintergrund – wie in einer ollen Leinwandkamelle. Wo, in Dreiteufelsnamen, steckte die Kuh?
Dann kam sie heraus, zögerte einen Moment vor der Eingangshalle des teuren Apartmenthauses. Dummes Stück, dachte er. Starrte um sich, faßte alles an. Er schaute kurz nach rechts und links. Niemand zu sehen. Er warf seine Zigarette fort und ging über die regennasse Straße zu ihr
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