Die Sternenkrone
sanftes Leuchten umgab ihn, als er hinausging.
Originaltitel: >Last Night and Every Night<
Copyright © 1970 by James Tiptree, Jr. Erstmals veröffentlicht in:
>Worlds of Fantasy< # 2
Copyright © 1999 der deutschen Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag, München
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christian Lautenschlag
Zurück! Dreh's zurück!
(Backward, Turn Backward)
Es ist der Tag.
Beide Tage.
In dem großen Doppelbett liegt eine nackte alte Frau. Sie hat die schlaffen, ledrigen Arme eng um einen nackten alten Mann geschlungen. Es ist elf Uhr vormittags.
»Jetzt ist es gleich soweit«, sagt er mit seiner brüchigen Stimme. »Ich meine immer noch, daß es eine halbe Stunde später war«, entgegnet sie.
»Das spielt doch keine Rolle. Wir liegen hier bequem. Oh, Liebes, es wird unheimlich sein. Nicht zu wissen, wo ich arbeite oder was wir bis jetzt getan haben. Ist dir klar, daß wir nicht einmal unsere Freunde kennen werden?«
Ihr einst so helles Lachen ist jetzt das spröde Kichern einer alten Frau. »Aber wir können uns gegenseitig beistehen. Und Fred will sich so rasch wie möglich um uns kümmern ... Armer Fred. Für ihn ist alles schon vorbei.«
»Tja ... Sag, glaubst du, wir könnten einen Konvoizum Strand erwischen?« Sie mustert ihren vom Alter zerstörten Körper. »Ich habe nicht mal einen Badeanzug.«
»Dann kauf dir einen!« Er löst sich aus ihrer Umklammerung, hebt mühsam einen Arm und betrachtet ihn. Unwahrscheinlich mager und knorrig, mit schlaffen Hautfalten, wo einst die Muskeln saßen. »Mein Gott ... glaubst du wirklich, daß das klappt?«
»Du bist der Wissenschaftler. Aber doch, ich bin absolut davon überzeugt. Oh, wie ich mich freue!«
»Ich werde dich sehen wie nie zuvor.« Sie zuckt kaum merklich zusammen. »Du hast mich gesehen.«
»Flüchtig vielleicht. Ich kannte dich als College Schönheit, ständig umlagert von reichen Verehrern. Aber richtig angesehen hatte ich dich nie. Ich meine, wozu auch? Du hast immer versucht, im Mittelpunkt des Geschehens zu sein. Übrigens – hattest du je eine Freundin?«
»Mädchen?« Sie schien in eine unangenehme Ferne zu starren. »Nun ja, ich ... kam mit einigen der anderen Mädchen ganz gut aus. Und ich wußte sehr wohl, daß es dich gab, Liebling, aber du schienst immer über den Dingen zu stehen. Du warst so ... kühl.« Sie lacht wieder, dunkler diesmal.
»Und ich hatte Pickel.« Er lacht ebenfalls. »Herrgott, was hatte ich für eine schlimme Akne!«
»Allerdings«, gibt sie zu.
»Ich habe mir am Mittwoch noch ein Akne-Medikament besorgt. Der Verkäufer starrte mich fassungslos an.«
Ihr Gelächter endet in einem schwachen hellen Laut. »Oh! Oh, ich glaube, es geht los! Oh – ich vergaß ...« Sie holt ihr Gebiß aus dem Mund und wirft es zu Boden.
»Bleib ganz nah bei mir!« murmelt er.
Sie verlieren das Bewußtsein.
Genau fünfundfünfzig Jahre früher betreten die Schüler der Abschlußklasse am Saint Andrews Junior College einer nach dem anderen einen seltsamen, tunnelähnlichen Bau und beginnen sich auszuziehen.
An beiden Wänden sind Kojen aufgereiht, einfache, mit einer metallisch wirkenden Substanz gepolsterte Einzel oder Doppelliegen, an deren Kopfenden Schalter und Skalen zu sehen sind. Neben jedem Bett befindet sich ein Kleiderspind, ein Spiegel und ein Haken mit einem weißen Bademantel.
Diane und Jeffrey suchen sich eine Doppelliege ganz weit hinten und beginnen ihre Sachen abzustreifen.
Gleich neben dem Eingang nimmt Don Pascal Besitz von einer Einzelkoje. Er liest die Werte an den Skalen ab und justiert sie sorgfältig nach, ehe er seine alten Turnschuhe auszieht. Wie gewöhnlich ist er allein. Man kann nicht sagen, daß die anderen Don gezielt aus dem Weg gehen, aber die wenigsten scheinen von seiner Gegenwart Notiz zu nehmen. Seine hervorragenden Noten und seine echt schlimme Akne tragen kaum dazu bei, das zu ändern. Er stellt die Turnschuhe ab, zieht sich aus, ordnet alles in den Spind und legt sich auf die Koje, steif wie eine Mumie, den Blick zur Decke gerichtet. Er lächelt vor sich hin.
Das schwere Eingangstor schließt sich mit einemmetallischen Klang, der irgendwie bedrohlich wirkt.
Diane schält sich aus ihrem Trägerkleid und wirft einen Blick auf den nackten jungen Mann, der neben ihr liegt. »Also ... ein wenig unheimlich ist mir die Sache schon, Jeff!«
»Keine Angst, die Leute haben das zigmal ausprobiert. Mein Gott, bist du schön! Ich begreife immer noch nicht,
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