Die Sternenkrone
Frage, die unweigerlich jedesmal wieder auf den Tisch kam, lautete: »Wo ist euer Gott?«
Nachdem sie eine Beschreibung beziehungsweise Bestandsaufnahme des hinduistischen Pantheons erhalten hatten, komplizierten sie das Gespräch, indem sie fragten: »Wo befindet Er sich? Wo ist Er jetzt?«
Auf ihre Fragen erhielten die Angli die eigenartigsten Antworten. Die Leute zeigten zum Himmel, auf Westminster Abbey oder auf den Goldenen Tempel. {1} Ein Mann führte sie zum Grand Canyon. Doch wenn es darum ging, besagte Götter oder Gott persönlich sehen zu wollen, hatten wir Mühe, den Angli Begriffe wie >nicht körperlich<, >transzendent< oder >immanent< zu erklären. Man merkte, daß ihnen, obwohl sie nicht richtig enttäuscht waren, das Thema sehr am Herzen lag.
Eines Tages drehte Todd den Spieß herum. »Habt ihr auch einen Gott?« fragte er.
»O ja. Viele sogar.«
»Und wo sind eure Götter?«
Sie unterhielten sich auf einem Balkon, von dem aus sie die Große Pagode von Moulmein sehen konnten. Azazel wies mit dem Fangarm zum Mond. »Dort oben.«
»Eure Götter sind bei euren Schiffen? Meinst du in geistiger Form?«
»Nein! Die Götter sind dort! Viele. Einige sind recht jung, andere sehr alt. Einer ist neu und groß. Der größte von allen. Im Schiff.«
Daraufhin nahm natürlich jeder an, daß es sich um Skulpturen handelte, Abbildungen oder irgendwelche geheiligte Reliquien. Doch die Angli versicherten, daß ihre Götter lebendig seien, sehr lebendig. Allerdings schliefen sie, wie die anderen Angli hinter dem Mond auch.
Tja, mhm ... waren sie etwa sichtbar? Konnte man hinfahren und sie anschauen?
Azazel wiederholte, daß sie schliefen. Dann beratschlagte er mit Urizel.
»Aufwachen wäre nicht schlecht«, sagte Urizel schließlich. »Es war eine lange Reise. Sie haben viel geschlafen. Du willst, daß wir sie hierher bringen?«
Und ob!
Drei Reporter waren anwesend gewesen.
»ANGLI BESITZEN ECHTE GÖTTER!
ANGLI-GÖTTER SCHLAFEN HINTER DEM MOND!
ANGLI-GÖTTER BESUCHEN DIE ERDE!«
Also machte sich eine Abordnung Angli in Richtung Mond auf, um ihre Götter vorzubereiten. Und der Bürokratenapparat der Vereinigen Staaten bereitete sich darauf vor, übernatürlichen Besuch zu empfangen. Natürlich glaubten sie kein Wort von allem. Insgeheim waren sie darauf gefaßt, Angli in Kostümen zu begrüßen.
Doch die Angli nahmen das Ganze sehr ernst. Sie kehrten von ihren verschiedenen Aufenthaltsorten überall auf dem Erdball zurück, und ihr ursprüngliches Schiff fügte sich wieder zusammen. Als das Empfangskomitee das bemerkte, beschloß es, die Sache nun auch ernster zu nehmen, und eine Reihe religiöser Oberhäupter wurde eingeladen, dem Empfangskomitee beizutreten. Der damalige Papst reiste für sein Leben gern. Er war sofort Feuer und Flamme und entschloß sich, am Empfang teilzunehmen. Seine Zusage versetzte die offiziellen kirchlichen Kreise in helle Aufregung. Hieß das nicht, einer heidnischen Religion zuviel Ehre zu erweisen? Doch der Papst sagte nur: »Blödsinn. Am besten, wir kommen alle. Mal sehen, was sie uns zu bieten haben.« Daraufhin sagte natürlich auch der Patriarch der Griechisch-Orthodoxen Kirche zu. Die englischen Erzbischöfe waren von Natur aus neugierig. Die protestantischen Sekten schloßen sich an. Als die Oberhäupter der übrigen Religionen dieser unvorhergesehenen ökumenischen Eintracht unter der Christenheit gewahr wurden, fühlten sie sich ebenfalls ermuntert, teilzunehmen, und was als bloßer Auftritt außerirdischer Gottheiten begonnen hatte, wurde schließlich zu dem weltweiten Gipfeltreffen sämtlicher erdenklicher religiöser Vereinigungen, das wir dann im Fernsehen erlebten. Ein Sonderkomitee mußte zur Vorbereitung ins Leben gerufen werden, und das Protokoll geriet zum absoluten Alptraum.
Am Ende erwies sich die Sache als eine Art Konfrontation der Religionen der Erde mit ihren außerirdischen Gegenstücken, eine Konfrontation, bei der wir von Anfang auf der Verliererseite standen. Während wir unsere prächtig gekleideten menschlichen Würdenträger mit ihrem zeremoniellen Pomp vorführten, besaßen die Angli – Götter.
Wir begriffen es bald, als ungefähr eine Woche später mitten in der Nacht ein zweites Blasenschiff zur Erde herabschwebte, nachtfaltergleich im Licht der Suchscheinwerfer, und sich auf dem Landeplatz niederließ. (Die Behörden hatten aus dem Fiasko bei der ersten Landung gelernt. Es gab zwar auch einen mit Teppich ausgelegten abgesperrten
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