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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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Zigarette für sich selbst drehte. Es machte ihn verlegen. Als er sie anzündete und den Kopf hob, stellte er fest, dass sie ihn immer noch beobachtete. Diesmal wandte er den Blick nicht ab.
    »Ich hab mitbekommen, wie du meine Brüste angesehen hast, Johnny«, sagte sie und ließ den Rauch zwischen ihren Lippen entweichen. Sie saß völlig reglos da, nur ihre Lippen bewegten sich. Johnny fühlte die Kühle ihres Atems auf seiner Haut. Er ließ sein Feuerzeug zuschnappen und nahm einen Zug. Er war nicht sicher, ob sie ihn hochnehmen wollte oder es ernst meinte. Plötzlich hatte er Mühe, Luft zu bekommen. Sein Atem kam schnell und abgehackt, und er fürchtete, dass er nur ein hohes Krächzen herausbringen würde, wenn er jetzt etwas sagte.
    »Du kannst sie gern berühren, wenn du magst.«
    Sie sprach so leise, dass er kurz überlegte, so zu tun, als hätte er es nicht gehört. Doch sie wussten beide, dass er sie sehr wohl verstanden hatte. Mit langsamen, gleichmäßigen Bewegungen begann sie ihre Bluse aufzuknöpfen, ohne den Blick von ihm zu wenden, während er dasaß und weder wusste, wo er hinsehen, noch was er machen sollte. Also tat er gar nichts. Ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen, als amüsierte sie seine Verlegenheit. Schließlich schlug sie den Stoff zurück, und Johnny betrachtete sie – weil es schlicht unmöglich war, es nicht zu tun. Er spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Annie besaß die Art von Titten, für die jeder Mann sein letztes Hemd geben würde. Als er den Kopf hob und wieder in ihre fahlblauen Augen sah, erkannte er etwas darin, das ihm bislang noch nicht aufgefallen war. Frank hatte recht: Nur in der Nacktheit gelingt es uns, unser Innerstes zu entblößen. Ja, dachte er, er glaubte einen Blick auf Annies wahres Ich erhascht zu haben.
    »Fass sie an, Johnny«, forderte sie ihn auf.
    Er musste eine Geste gemacht haben, denn sie streckte die Finger aus, nahm seine von den Blaubeeren violett verfärbte Hand und legte sie auf ihre Brust. Sie fühlte sich warm, leicht feucht und unfassbar voll an. Seine Finger strichen über ihre Haut. Behutsam kniff er ihre Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen. Sie ließ den Kopf in den Nacken sinken und stieß ein leises Stöhnen aus. Sie zu berühren war ganz gewiss keine bewusste Entscheidung gewesen, und doch spürte er, wie sein Mund trocken und sein Schwanz hart wurde.
    »Mama!« Eilig zog er seine Hand weg. »Mama?«, rief Smudge. »Ich glaube, ich habe Granny aus Versehen kaputt gemacht …«
    Johnny sprang auf, wobei er die Flasche umstieß. Er stellte sie wieder hin, während Annie langsam ihre Bluse zuknöpfte.
    Clem hatte zwei dicke Fische gefangen, die sich, soweit sie es beurteilen konnten, im Eimer hinter ihr tot stellten. Frank hatte fünf Stück gefangen. Auch sie trieben reglos im Wasser, doch sobald sie sie anstieß, flappten sie mit den Flossen, ehe sie wieder in Starre verfielen. Erwartungsvoll saß sie mit ihrer Angelrute in der Hand auf dem Deck, blickte aufs glitzernde Meer hinaus und summte leise Space Oddity vor sich hin. Frank trat mit zwei Tassen Kaffee zu ihr. Er hatte sein Hemd ausgezogen, unter dem sein bemerkenswert durchtrainierter Oberkörper zum Vorschein kam. Sie musste zugeben, dass er eine ziemlich eindrucksvolle Gestalt war. Er bückte sich und reichte ihr eine der Tassen, dann setzte er sich mit dem Rücken zu ihr und griff nach seiner Angelrute. Sie hatte ihn bisher noch nicht ohne Hemd gesehen. Eilig wandte sie den Blick ab. Der Anblick hatte etwas eigentümlich Intimes.
    Sie sah aufs Meer hinaus und lauschte. Planet earth is blue and there’s nothing I can do . Armer alter Major Tom. Sie dachte an ihren Dad; daran, wie er diesen Song immer mitgesungen und sie mit seiner Imitation von David Bowie oder Mick Jagger zum Lachen gebracht hatte.
    »Sind deine Mum und dein Dad immer noch zusammen?«, fragte Frank. Es war fast unheimlich, dass er stets genau zu wissen schien, was sie gerade dachte.
    »Gott, nein, sie sind seit Jahren geschieden.« Sie registrierte die Lässigkeit ihres Tonfalls. Sie hatte diesen Satz über die Jahre perfektioniert.
    »Geschwister?«
    »Ja. Zwei Halbbrüder.« Obwohl sie sich um denselben Tonfall bemühte, kamen die Worte nicht ganz so mühelos über ihre Lippen. Ein Anflug von Risiko schwang darin mit. Sie war auf einem Boot, der Little Utopia. Erinnerungen stiegen ungewollt in ihr auf. Die fehlende Abwechslung und der scheinbar endlose Horizont schienen

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