Die stillen Wasser des Todes - Roman
nur zu verständlich, wenn es Ihnen leidtäte, dass Sie Ihrer Exfrau so viel überlassen haben. Auch wenn man die Rezession berücksichtigt, muss das Cottage in Remenham noch eine hübsche Stange Geld wert sein.«
»Aber Ihre Exfrau wusste zu schätzen, was Sie für sie getan hatten, nicht wahr?« Kincaid ging langsam um die Sitzgruppe herum und blieb neben Atterton stehen, sodass sie ihn in die Mitte nahmen. »Das war doch nur fair. Und sie war fair, nicht wahr? Ein bisschen kratzbürstig, ehrgeizig, oftmals ziemlich schwierig. Aber fair.«
»Was? Wovon reden Sie?« Freddie drückte sich an die Sofalehne, als ob er sich am liebsten in die Polster verkrochen hätte.
»Sie hat dafür Sorge getragen, dass es Ihnen an nichts fehlen würde, sollte ihr etwas zustoßen«, sagte Doug. Er warf Kincaid einen fragenden Blick zu, worauf dieser zustimmend nickte.
»Sie hat Sie nicht nur als Alleinerben und Testamentsvollstrecker eingesetzt«, fuhr Doug fort, »sie hat Sie auch zum Begünstigten einer Lebensversicherung in Höhe einer halben Million Pfund gemacht.«
In der folgenden Stille konnte Kincaid das rasselnde Geräusch von Freddies Atem hören, dazwischen undeutliche Gesprächsfetzen, die von der New Street durch das halb offene Fenster drangen. Er beobachtete Attertons Miene – wartete auf jenes nervöse Zucken, mit dem er verraten würde, dass er es bereits gewusst hatte, jenes unwillkürliche Abwenden des Blicks, das oft ein Zeichen für Unaufrichtigkeit war.
Doch Freddie Atterton verzog nur entsetzt das Gesicht und hielt sich die zitternde Hand vor den Mund. » O nein«, flüsterte er. »Nein, bitte sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist.«
»Ich fürchte doch.« Kincaid verspürte einen Anflug von Mitleid.
»Aber ich kann nicht – Ich will –« Freddie schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender. »Ich kann ihr ja nicht mehr sagen, sie soll es zurücknehmen.«
Und in diesem Moment glaubte Kincaid ihm. Wenn Rebecca Meredith sich je an ihrem untreuen Exmann hatte rächen wollen, dann war es ihr jetzt gelungen. Sie hatte ihm ein wahrhaft vergiftetes Geschenk hinterlassen.
»Nun, das dürfte auf jeden Fall Ihre finanziellen Schwierigkeiten beheben«, meinte Doug trocken und offenbar ungerührt. »Es sei denn, Sie werden wegen Mordes verurteilt.«
»Nein. Nein. Ich wäre schon klargekommen«, protestierte Freddie. Er drehte den Zipfel seines Hemds in den Händen. »Ich habe da ein Projekt am Laufen, eine Luxuswohnanlage unterhalb von Remenham. Und ich hatte einen neuen Investor an der Hand. Deswegen war ich am Dienstagmorgen im Leander. Ich hatte mich mit ihm zum Frühstück verabredet, aber er ist nicht erschienen. Das ist ein Grund, weshalb ich immer wieder bei Becca anzurufen versucht habe. Ich wollte sie fragen, ob man sich auf ihn verlassen kann.«
»Woher hätte sie das wissen sollen?«, fragte Kincaid. War ihm da etwas entgangen?
»Weil er auch Polizeibeamter ist. Oder genauer gesagt, ein ehemaliger Polizeibeamter. Sein Name ist Angus Craig.«
15
Hinter diesen Seiten findet sich eine Welt in Schwarzweiß. Es ist eine Welt, die den Blicken der Öffentlichkeit stets weitgehend verborgen geblieben ist, die aber dennoch über zwei Jahrhunderte hinweg den Nachwuchs für Industrie und Politik herangezogen hat – die Macher, die unsere fragile Gesellschaft gestaltet und bisweilen erschüttert haben. Hier trifft die Eleganz von Evelyn Waughs Wiedersehen mit Brideshead auf eine kaputte Fight-Club-Welt à la Chuck Palahniuk. Es ist eine schillernde Welt mit ihren eigenen Helden und Schurken, beherrscht von einem einzigen Ereignis: dem Boat Race.
Mark de Rond, The Last Amateurs: To Hell and Back with the Cambridge Boat Race Crew
»Angus Craig?« Kincaid starrte Atterton an. »Sie wollen uns auf den Arm nehmen, Mann. Das ist nicht witzig.«
»Was? Was habe ich denn gesagt?« Freddie sah von Kincaid zu Doug und runzelte die Stirn.
»Sie haben sich mit Angus Craig getroffen, Deputy Assistant Commissioner der Met im Ruhestand, der zufälligerweise in Hambleden wohnt. Ist es das, was Sie uns sagen wollen?«
»Wieso hätte ich mich nicht mit ihm treffen sollen?«, fragte Freddie, der allmählich panisch klang. »Wir sind an einem Abend letzte Woche ins Gespräch gekommen. Ich habe ihm von dem Projekt erzählt. Er sagte, er sei interessiert und wolle möglicherweise etwas investieren. Also haben wir uns für Dienstagmorgen zum Frühstück verabredet.«
»Wusste er, wer Sie sind? Dass Rebecca Meredith Ihre
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