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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Schneiderhandwerk gelernt; mit sechzehn hatte sie bei einer Hutmacherin angefangen und nähte seither alles, von Kleidern über Vorhänge und Kissen bis hin zu den Kostümen für den Notting Hill Carnival. Ihre fünf Töchter waren alle schon erwachsen, und nur noch ihr Sohn Wesley, mit dem Gemma gut befreundet war, lebte mit ihr in der Wohnung in der Westbourne Park Road, wo sie eine gut gehende kleine Schneiderwerkstatt betrieb.
    An diesem Nachmittag hatte Gemma Charlotte zur letzten Anprobe gebracht. Nur gut, dass es die letzte war, dachte Gemma, denn wenn Charlotte das Kleid nicht mit nach Hause nehmen dürfte, würde es mit Sicherheit Tränen und Geschrei geben, sobald sie es wieder ausziehen musste. Wenn Gemma sich gewünscht hatte, dass Charlotte mehr Interesse an Mädchenthemen zeigte, dann war ihr Wunsch jetzt doppelt und dreifach in Erfüllung gegangen.
    »Wie wär’s mit dem hier?«, fragte Gemma. Sie hatte ein Stück Ripsband in Kornblumenblau entdeckt, das genau zu der blauen Schürze passte. »Können wir das nehmen, Betty?«
    Betty blickte von der Nähmaschine auf und schätzte die Länge des Bands ab. »Müsste lang genug sein. Hast du einen Clip besorgt?«
    Gemma griff nach ihrer Handtasche und nahm den Haarclip heraus, den sie in einem Kosmetikgeschäft gekauft hatte.
    Betty nahm den Clip und das Band und sagte zu Charlotte: »Warte nur, gleich hast du deine Alice-Schleife, kleines Fräulein.«
    Charlotte hatte inzwischen nach dem Buch gegriffen und war wieder in die Illustrationen versunken. Jetzt blickte sie zu Gemma auf. »Ich will gelbe Haare.«
    »Also, Schätzchen, das ist eine Sache, die du nicht haben kannst. Und schau mal.« Gemma nahm das Buch und schlug eine andere Tenniel-Illustration auf. »Auf dem hier hat Alice rote Haare, genau wie ich. Alice kann also jede Haarfarbe haben, die sie will.«
    Charlotte nickte zögerlich, doch ihre Stirn war in Falten gezogen. »Keine Locken.«
    »Warum keine Locken?« Gemma wickelte sich eine Strähne von Charlottes üppigem Lockenschopf um den Finger. »Ich wette, Alice hätte gerne Haare wie deine gehabt.«
    »Wirklich?«
    »Ganz bestimmt.«
    Betty blickte grinsend von der Nähmaschine auf. »Meinst du nicht, dass Alice gerne meine Haare gehabt hätte?« Ihr krauses Haar wurde langsam grau, und an den meisten Tagen band sie es mit einem bunten Kopftuch hoch. Heute trug sie ein Tuch im gleichen Gelb wie Charlottes Kleid.
    Charlotte kicherte. »Das ist Quatsch.«
    »Finde ich gar nicht«, entgegnete Betty lächelnd. Doch als sich ihre Blicke trafen, wusste Gemma, dass sie beide an den Tag dachten, an dem Charlotte sich vielleicht wünschen würde, sie hätte dieselbe Hautfarbe wie Alice.
    Charlotte griff nach Gemmas Tasche und begann darin zu wühlen. »Ich will einen Clip«, sagte sie.
    Sanft zog Gemma die Tasche weg, denn irgendwo da drin verbarg sich eine Überraschung, und sie würde besser darauf achten müssen, sie von neugierigen kleinen Händen und Augen fernzuhalten.
    Vor ein paar Wochen hatte sie an einem Stand auf dem Portobello-Markt ein antikes Apothekerfläschchen aus braunem Glas gefunden. Dazu hatte sie ein hübsches Etikett gekauft, auf das sie von Hand die Worte Trink mich geschrieben hatte. Es sollte die Krönung der Torte werden, die Wes für die Party buk.
    »Da sind sonst keine«, sagte sie. »Du wirst schon auf deine Schleife warten müssen. Und die darfst du ja erst am Samstag tragen. Vergiss das nicht. Willst du nicht Betty ein bisschen helfen?«, fügte sie hinzu, um die Kleine abzulenken.
    Gemma sah Charlotte nach, als sie aufsprang und auf Söckchen zur Nähmaschine tappte. Der Gedanke, in wenigen Tagen von dem Kind getrennt zu werden, verschlug ihr schier den Atem. Wie sollte sie das nur aushalten?
    Und doch – als sie heute Morgen auf dem Revier gewesen war, war es ihr vorgekommen, als käme sie nach Hause. Ihr war klar geworden, wie sehr ihr die Gesellschaft von Kolleginnen und Kollegen gefehlt hatte, die Routine und vor allem die intellektuelle Herausforderung. Würde es je einen goldenen Mittelweg geben?, fragte sie sich.
    Nun, sie würde es bald genug herausfinden – wenn sie denn tatsächlich am Montag anfangen könnte. Sie hatte Alia gefragt, ob sie sich bereithalten könne, um vorübergehend als Tagesmutter einzuspringen – ein Plan B für den Fall, dass die Ermittlungen Duncan noch länger in Anspruch nehmen würden.
    Und es sah zunehmend danach aus.
    Besonders seit dem gestrigen Abend. Seine Reaktion, als

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