Die stillen Wasser des Todes - Roman
ihn Mrs. Craig zurückbringen, aber als er hinüberging, sei bei den Craigs alles dunkel gewesen, und er habe nicht klingeln wollen. Er dachte sich, er würde den Hund einfach zu sich nehmen und Mrs. Craig gleich am nächsten Morgen anrufen. Aber dann wurde er mitten in der Nacht vom Rauch und den Feuerwehrsirenen geweckt, und er war außer sich vor Sorge um die Craigs. Er hat die ganze Zeit schon versucht, mit jemandem zu –«
»Barney«, unterbrach sie Kincaid. »Der Hund. Es ist ein Rüde, und er heißt Barney.« Er wusste selbst nicht, warum er so erleichtert war, dass Edie Craigs Hund überlebt hatte. Aber wieso war der Hund zwei Stunden vor dem Feuer draußen gewesen? »Um Mitternacht? Der Nachbar sagte Mitternacht?«
»Ja, Sir. Ich bin mir ganz sicher«, antwortete Bell.
Kincaid wandte sich dem Brandermittler zu. »Mr. Morris, wenn Craig das Feuer vor Mitternacht gelegt hätte, könnte es dann zwei Stunden gedauert haben, bis es sich im ganzen Haus ausgebreitet hatte?«
Owen Morris schüttelte den Kopf. »Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Am Ausgangspunkt gab es eine Stichflamme, und nach der Menge an Brandbeschleuniger zu urteilen, die im ganzen Erdgeschoss verschüttet wurde, schätze ich, dass die anderen Räume auch sehr schnell in Flammen standen. Aber mit Feuer ist das so eine Sache. Da kann man alle möglichen Überraschungen erleben. Denkbar wäre es, dass es eine Weile nur geschwelt hat. Wenn erst einmal alles abgekühlt ist, werden wir schlauer sein.«
»Trotzdem …« Kincaid ließ den Satz unvollendet; er war sich nicht sicher, ob er das unerfreuliche Szenario, das ihm in den Sinn gekommen war, aussprechen wollte.
Was, wenn Edie Craig geahnt hatte, dass sich eine Gewalttat anbahnte? Angus Craig hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er den Hund hasste – vielleicht hatte Edie befürchtet, dass Barney zur Zielscheibe seiner Aggressionen würde. Aber wenn sie geahnt hätte, wie schlimm es war, hätte sie sich doch gewiss selbst in Sicherheit gebracht … Oder etwa nicht?
Kincaid vermutete, dass Edie Craig den größten Teil ihres Ehelebens in dem Bemühen zugebracht hatte, den Schaden zu begrenzen, den ihr Mann anrichtete. Aber hatte sie vor Denis Childs’ Besuch am gestrigen Abend gewusst, für wie viel Unheil Craig tatsächlich verantwortlich war, wie viele Leben er zerstört hatte? Und wenn nicht – hätte sie jetzt mit der Wahrheit leben können?
Er hatte sie als eine freundliche Frau mit einer großen Ausstrahlung kennengelernt. Er hoffte, dass sie nicht geahnt hatte, welches Ende ihr bevorstand.
»Sir«, sagte Bell. »Wegen des Nachbarn. Er wartet immer noch am Tor. Soll ich –«
Kincaid riss sich in die Gegenwart zurück. »Lassen Sie sich seinen Namen und seine Adresse geben. Fragen Sie ihn, ob es ihm etwas ausmachen würde, den Hund so lange zu behalten, bis wir Freunde oder Verwandte von Mrs. Craig ausfindig gemacht haben, die ihn nehmen können. Und, DC Bell – wenn die Spurensicherung hier eintrifft, möchte ich, dass sie Craigs Wagen nach Spuren absuchen, die mit denen vom Tatort des Mordes an Rebecca Meredith übereinstimmen. Und wenn sich im Haus noch irgendwelche unversehrte Oberbekleidung findet, will ich die auch untersucht haben.«
Bell sah ihn mit großen Augen an. »Sie glauben doch nicht –«, setzte sie an, nahm sich dann aber zusammen und nickte nur. »Ja, Sir. Ich spreche dann mal mit Mr. Wilson – das ist der Nachbar.« Sie drehte sich um und ging zum Tor, nicht ohne noch einmal einen verunsicherten Blick über die Schulter zu werfen.
Der Zeitpunkt des Feuers war nicht die einzige Frage, die Kincaid beschäftigte. Er wandte sich an Owen Morris und fragte: »Können Sie mir sagen, ob hier der gleiche Brandbeschleuniger verwendet wurde wie bei Kieran Connollys Bootsschuppen?«
»Es scheint sich in beiden Fällen um gewöhnliches Benzin gehandelt zu haben.« Morris musterte Kincaid kritisch. »Und selbst wenn das Labor es auf eine bestimmte Raffinerie eingrenzen könnte, würde Sie das auch nicht unbedingt weiterbringen. Sie glauben, dass Craig etwas mit dem Mord an Rebecca Meredith und dem Bootsschuppen zu tun hatte?« Die Frage war rhetorisch, denn Morris blickte sich zu der schwelenden Ruine um und fügte hinzu: »Das würde erklären, warum er beschlossen hatte, mit einem solchen Paukenschlag von der Bühne abzutreten.«
Nur, dass es keine wirkliche Erklärung war, dachte Kincaid. Denn sie hatten immer noch keine Beweise dafür, dass
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