Die stillen Wasser des Todes - Roman
sagte …« Freddie brach ab, und die Röte schoss ihm ins Gesicht. »Er sagte, er hätte nicht gewusst, dass ich nicht nur blind, sondern auch dumm sei.
Ross war immer schon ein ziemlicher Kotzbrocken, und um ehrlich zu sein, ich war von Anfang an der Meinung, dass er es nicht verdient hatte, in dem verdammten Boot zu sitzen. Aber dass er so etwas sagt – er hat doch wohl nicht im Ernst andeuten wollen, dass Becca eine Affäre mit Craig hatte. Das glaube ich einfach nicht.«
»Was haben Sie ihm gesagt?«, fragte Kincaid. Seine Gedanken überschlugen sich.
»Nichts. In diesem Moment ist Kieran mit den Hunden aufgekreuzt, und dann war der Teufel los. Und danach hat Ross sich aus dem Staub gemacht, als ob sämtliche Höllenhunde hinter ihm her wären. Na ja, verstehen kann ich’s ja, aber –«
»Warum hat Ihr Freund sich so für Angus Craig interessiert?«, fiel Kincaid ihm ins Wort.
»Ich habe keine Ahnung. Ich wusste nicht einmal, dass er ihn kannte. Aber dass Chris ihn kannte, leuchtet wohl schon eher ein.«
»Chris?«
»Ross’ Frau. Sie ist DCI bei der Met wie Becca, obwohl sie in verschiedenen Bezirken gearbeitet haben.«
»Chris«, wiederholte Doug und wurde unwillkürlich lauter. »Wie heißt sie mit Nachnamen?«
Freddie wich erschrocken einen Schritt zurück. »Abbott. Abbott heißt sie. Wieso?«
Hektisch gestikulierend wandte Doug sich zu Kincaid um. »Das ist die Frau, mit der Rebecca Meredith sich an ihrem letzten Tag ihm Dienst getroffen hat. Bei Charlottes Party habe ich doch erzählt, dass ich ihren Namen von Sergeant Patterson hatte, erinnern Sie sich? Die alte Freundin, die zu ihr aufs Revier gekommen ist – das war Chris Abbott.«
Kincaid starrte ihn an. Eine Polizeibeamtin und dazu eine, die Angus Craig gekannt hatte – und hatte Freddie ihm nicht auch nach seinem Besuch im Leichenschauhaus erzählt, die Frau seines Freundes sei Polizistin?
Verdammt. Er war so auf Angus Craig fixiert gewesen – und darauf zu beweisen, dass Denis Childs in Bezug auf Freddie falschlag –, dass er direkt über eine verdammte Landmine gelatscht war, ohne sie zu sehen. Er war derjenige, der nicht nur blind, sondern auch dumm gewesen war.
»Mein Gott«, sagte er. »Sie – diese Chris Abbott – muss eines seiner Opfer gewesen sein. Aber hatte Rebecca das an dem bewussten Tag herausgefunden, oder hatte sie es schon gewusst? Etwas ist jedenfalls pass…«
»Opfer?«, fiel Freddie ein. »Wovon reden Sie eigentlich? Wessen Opfer?« Er blickte von Kincaid zu Cullen, doch es war Kincaid, der ihm antwortete.
Es war jetzt nicht mehr nötig, Freddie vor Craig zu schützen oder umgekehrt. Freddie musste die Wahrheit erfahren, und am besten jetzt gleich. »Wollen wir uns nicht hinsetzen?«, schlug Kincaid vor.
»Ich habe es satt, ständig gesagt zu bekommen, dass ich mich setzen soll«, gab Freddie zurück. Er wirkte heute Abend nicht so hilflos wie zuvor; vielmehr strahlte er eine nervöse Energie aus, und der Blick, den er ihnen zuwarf, war herausfordernd. »Sagen Sie einfach, was Sie zu sagen haben.«
»Also gut«, stimmte Kincaid zu, wenngleich immer noch ein wenig widerstrebend. »Vor einem Jahr erstattete Ihre Exfrau Anzeige wegen einer Vergewaltigung. Sie gab an, den Täter nicht erkannt zu haben. Ihrem Vorgesetzten Peter Gaskill erzählte sie jedoch, was wirklich passiert war.
Deputy Assistant Commissioner Craig hatte ihr nach einer Feier der Met in London angeboten, sie nach Hause zu fahren. Dort angekommen, fragte er, ob er ihre Toilette benutzen dürfe. Dann vergewaltigte er sie.
Später drohte er ihr und sagte, er würde dafür sorgen, dass sie ihren Job und ihren guten Ruf verlieren würde, wenn sie je einem Menschen erzählte, was passiert war.«
Wenn Kincaid noch Zweifel gehabt hatte, ob Freddie es nicht vielleicht doch gewusst hatte, dann wurden sie in diesem Moment beseitigt.
Der Schock ließ Freddies Züge scharf hervortreten.
Dann übermannte ihn der Zorn, die Röte stieg ihm ins Gesicht, und Kincaid wurde daran erinnert, dass er einen Mann vor sich hatte, der stark genug – und auch hartnäckig genug – gewesen war, sich die Ruder zu verdienen, die an der Wohnzimmerwand hingen.
Genau wie sein Freund, wie Kincaid mit wachsendem Entsetzen begriff. Rebeccas Mörder hatte gewusst, wie man einen Ruderer unter Wasser zwingen konnte, und er hatte die nötige Kraft besessen. Der Mann, der Kieran überfallen hatte, war nahe genug an den Bootsschuppen herangerudert, um eine
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