Die stillen Wasser des Todes - Roman
hatte und stattdessen eine legere Hose und eine kirschrote Strickjacke trug, die ihr dunkles Haar und ihre helle Haut betonte. Auch ihre Frisur sah nicht ganz so streng und makellos aus wie sonst, aber das lag vielleicht nur am Wind – oder an seiner Einbildung.
»Ist ja eher ein Restaurant als ein Pub«, meinte Melody, doch es schien ihr zu gefallen. »Und ich habe gerade gemerkt, dass ich einen Bärenhunger habe. Ich glaube, ich nehme einen Burger. Und wenn ich danach noch Platz habe, probiere ich so ein ›Eton Mess‹.«
»Das ist aber ein Sommer-Dessert«, bemerkte er.
»Es steht aber trotzdem auf der Karte, und ich habe Lust darauf. Ich dachte, du wolltest mir etwas Gutes tun.«
»Das hab ich auch vor.« Unfähig, sich auf die Speisekarte zu konzentrieren, entschied Doug sich für ein kaltes Gericht, nämlich ein Ploughman’s Lunch mit Brot und Käse. Nachdem er das Essen und zwei kleine Biere an der Bar bestellt hatte, trug er die Gläser an ihren Tisch und stellte sie vorsichtig ab, um nichts zu verschütten.
»Cheers.« Melody hob ihr Glas, und er stieß mit ihr an. »Auf dein neues Haus.«
»Und auf deinen neuen Job.« Er prostete ihr noch einmal zu und nahm einen kleinen Schluck. »Und, wie lässt es sich so an?«
»Gemma fehlt mir schon. Aber als sich die Möglichkeit eröffnete, zum Projekt Sapphire zu wechseln, war ich sofort interessiert, und die Arbeit macht mir wirklich Freude.«
Allein die Vorstellung, Opfer sexueller Gewalt zu befragen, löste bei Doug Unbehagen aus. »Ist es nicht schwer, mit Frauen darüber zu sprechen, was ihnen angetan wurde?«
»Nicht nur Frauen«, verbesserte sie ihn. »Auch Männer, obwohl das seltener vorkommt; außerdem zögern sie eher, Anzeige zu erstatten.« Sie trank noch einen Schluck Bier und wartete, bis die Kellnerin das Besteck gebracht hatte, um dann fortzufahren: »Nein, es stimmt schon, leicht ist es natürlich nicht. Aber allein die Tatsache, dass die Opfer sich melden, ist schon ein Fortschritt. Und im Übrigen bearbeite ich überwiegend alte Fälle. Ich versuche, Übereinstimmungen zwischen neu gemeldeten Vergewaltigungen und ungelösten Fällen aufzudecken. Und wenn das gelingt, ist es einfach genial. Dann können wir vielleicht einen Kerl hinter Gitter bringen, der schon seit Jahren eine Gefahr für seine Umgebung ist.«
Das Essen kam, und während Melody ganz vorsichtig von ihrem vor Soße triefenden Burger abbiss, wünschte Doug, er hätte etwas weniger Krümeliges als das Ploughman’s Lunch bestellt. Der Cheddar und der Stilton waren köstlich, das Brot knusprig und warm, doch jedes Mal, wenn er einen Bissen nahm, krümelte er sich total voll.
Während er einen vergeblichen Versuch unternahm, seine Krawatte abzubürsten, blickte er auf und sah das amüsierte Blitzen in Melodys Augen. Anstatt empört zu reagieren, lächelte er zurück. »Mit mir kann man auch nirgendwo hingehen. Aber ich werde in nächster Zeit sowieso kaum zum Ausgehen kommen«, fügte er in ernsterem Ton hinzu. »Sie haben mich für die Zeit von Duncans Elternurlaub dem Team von Superintendent Slater zugewiesen.«
»Und den magst du nicht?«
»Er mag Duncan nicht, und das erstreckt sich auch auf mich. Das ist so einer, bei dem alles immer streng nach Vorschrift gehen muss.«
»Und du bist nicht so?« Melody wirkte überrascht.
»Nein, das bin ich verdammt noch mal nicht«, entgegnete er, augenblicklich in die Defensive gedrängt.
Sie legte ihr Besteck hin und betrachtete ihn stirnrunzelnd. »Doug, ich habe noch nie jemanden gekannt, der sich so penibel an die Vorschriften hält wie du. Das ist ja auch gar nicht verkehrt. Es ist ein Grund, weshalb du so gut in deinem Job bist.«
»Du hast ja auch gut reden.« Sein Ton war vorwurfsvoll, doch er konnte seine Worte nicht mehr zurücknehmen.
»Ich bin auch keine, die gewohnheitsmäßig gegen Regeln verstößt«, gab sie scharf zurück. »Und wenn ich es einmal getan habe, dann habe ich es stets bedauert. Das weißt du.« Die entspannt-freundschaftliche Atmosphäre zwischen ihnen war schlagartig verflogen. »Und was Duncan betrifft«, fügte sie hinzu, »er legt vielleicht die weniger wichtigen Vorschriften hier und da ein wenig eigenwillig aus, aber die wichtigen hält er immer ein.«
»Aber woher weißt du, wo du die Grenze ziehen musst?«, fragte Doug, bemüht, die Harmonie wiederherzustellen, die er durch seine Ungeschicklichkeit so empfindlich gestört hatte. »Ich will mich gar nicht darüber lustig machen,
Weitere Kostenlose Bücher