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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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als Gemma sich umschaute, sah sie, dass beide Kinder eingeschlafen waren. Na toll, dachte sie. Jetzt würden sie aufwachen, wenn sie anhielt, um Kit aufzulesen, und würden für den Rest der Fahrt bis London quengeln.
    Und der arme Kit – er würde mit Sicherheit enttäuscht sein. Er hatte sich gewiss auf die Zeit allein mit seinem Vater gefreut, und nun wurde er einfach am Straßenrand abgestellt und aufgelesen wie ein lästiges Paket.
    Sie fuhr von der Autobahn ab und versuchte, sich auf die knappe Wegbeschreibung zu konzentrieren, die Duncan ihr durchgegeben hatte, doch wie sich herausstellte, war die Strecke nach Henley gut ausgeschildert. Als sie Wargrave erreichte, war die vierspurige Schnellstraße schon einer schmalen Landstraße gewichen, die sich zwischen hohen Hecken und Alleebäumen in goldenem Herbstlaub hindurchschlängelte. Zu ihrer Linken tauchte ein Pub auf, das St. George and the Dragon , und dahinter erhaschte sie einen Blick auf den Fluss und die bunten Farbkleckse der am Ufer festgemachten Hausboote. Als das Dorf hinter ihr am Horizont verschwand, kam es ihr vor, als ob die Landschaft sie unmerklich in ihren Bann zöge, und ein beunruhigendes Déjà-vu-Gefühl beschlich sie.
    Doch ehe sie den Gedanken weiterverfolgen konnte, glitt sie bereits den Berg hinunter auf Henley zu, und in einer kurzen Seitenstraße zu ihrer Rechten erblickte sie eine Ansammlung von Polizeifahrzeugen. Duncans Anweisungen lauteten jedoch, durch die Stadt hindurchzufahren und dann die Marlow Road zu nehmen, und so widerstand sie der Versuchung, anzuhalten. Doch ihre Neugier war geweckt.
    Sie fuhr über die Brücke, konnte aber nur einen kurzen Blick auf den Fluss erhaschen. Die Pfosten des Brückengeländers verdeckten die Sicht, sodass der Effekt einer alten, ruckelnden Filmaufnahme entstand. Und dann war sie auf der anderen Seite, und das Stadtzentrum zog an ihr vorüber – das hübsche, blumengeschmückte Pub an der Brücke, der eckige Kirchturm, eine rasche Folge von Läden und Restaurants und das stattliche Rathaus, das am oberen Ende des Platzes thronte, als wollte es seinen Besitzanspruch demonstrieren.
    Nachdem sie das Stadtzentrum durchquert hatte, bog sie rechts ab und fand sich bald wieder auf einer schmalen Landstraße, die von Bäumen und Sträuchern in herbstlichen Farben gesäumt war. Das hartnäckige Gefühl, dass ihr das alles irgendwie bekannt vorkam, wurde immer stärker.
    Als der Wegweiser nach Hambleden auftauchte, verlangsamte sie das Tempo, und nach der nächsten Kurve trat sie scharf auf die Bremse. Der ganze Randstreifen war mit Polizeifahrzeugen zugestellt; sie parkten kreuz und quer, als hätte eine Riesenhand sie einfach von der schmalen Landstraße gewischt. Mit ihrem flackernden Blaulicht schienen sie Notsignale in den düsteren grauen Himmel hinaufzuschicken.
    Diesmal hatte sie keinen Zweifel, dass sie den Ort des Geschehens gefunden hatte. Der grüne Astra stand zwischen den Streifenwagen der Thames Valley Police, die ihn mit ihrem auffälligen blau-gelben Karomuster wie ein hässliches Entlein inmitten von farbenprächtigen Pfauen aussehen ließen.
    Kit lehnte am Astra, die Hände in die Taschen seines Anoraks gestopft. Seine Miene hellte sich auf, als er Gemma sah.
    Sie ließ ihr Fenster herunter und zeigte dem uniformierten Polizeiposten ihren Dienstausweis, um dann den Escort auf den Randstreifen zu lenken und so dicht wie möglich hinter dem Astra zu parken. Von den Kindern war nichts zu hören, also stieg sie vorsichtig aus und hielt sich den Finger an die Lippen, während sie auf Kit zuging.
    »Ich will sie, wenn irgend möglich, nicht aufwecken«, sagte sie. Mit einem Seitenblick auf den Astra fügte sie grinsend hinzu: »Ein bisschen hässlich ist er schon, nicht wahr?«
    »Ein bisschen?« Kit schüttelte angewidert den Kopf, doch seine Züge entspannten sich dabei zu einem angedeuteten Lächeln.
    »Kannst du auf die Kleinen aufpassen, während ich deinen Vater suche und mich erkundige, was hier los ist?«, fragte sie.
    »Er wollte mich nicht mitkommen lassen«, sagte Kit, doch er klang eher resigniert als beleidigt. Er deutete auf den schmalen Durchgang zwischen den roten Backsteinhäusern in der Nähe der parkenden Polizeiwagen. »Du musst dahinten durchgehen. Der Fluss ist gleich auf der anderen Seite, aber man kann ihn von hier nicht sehen.«
    Gemma tätschelte seinen Arm. »Ich schau, dass ich möglichst schnell zurück bin.« Sie drehte sich noch einmal zu den Kindern um,

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