Die stillen Wasser des Todes - Roman
zuerst angerufen.«
Cullen besaß immerhin den Anstand, verlegen dreinzuschauen. »Es ist nur für den Fall, dass diese Geschichte sich am Ende doch nicht als falscher Alarm herausstellt. Dann ist es besser, wenn man gleich von Beginn an vor Ort ist, nicht wahr? Tut mir leid, dass es Ihnen die Ferien verhagelt hat, Gemma.«
Sie funkelte ihn an, wurde aber gleich wieder versöhnlich und seufzte nur resigniert. Duncan hatte lediglich getan, was sie an seiner Stelle auch getan hätte, und es war ganz gewiss nicht Dougs Schuld. »Ich schätze mal, dass er Sie gleich brauchen wird.« Sie wies auf den Fußweg. »Ich hoffe, Sie haben kein Problem mit Wasser.«
»Nicht, solange ich nicht drin liege«, entgegnete Doug. Er klang erleichtert.
Gemma dachte an die leblose Gestalt, die aus dem Gewirr von Treibgut im Fluss gefischt worden war, und ein Schauder überlief sie. Sie musste unbewusst Charlotte gedrückt haben, denn die Kleine rief »Aua!« und wand sich aus Gemmas Armen. »Will zu Melody«, fügte sie hinzu, blieb aber an Gemmas Bein gelehnt. Charlotte wusste sehr genau, welche Menschen sie mochte, und Melody gehörte dazu; dennoch zeigte das Mädchen bisweilen noch Anzeichen von Schüchternheit.
Melody ging in die Hocke, um auf Augenhöhe mit Charlotte zu sein. »Hallo, Schätzchen. Na, findest du das alles nicht spannend?«
»Ich will den Fluss sehen«, verkündete Charlotte überraschend. »Kit sagt, da ist ein Fluss. Ist der groß?«
Verwundert sah Gemma Melody an, die nur lautlos »Tut mir leid« flüsterte.
»Wir können den Fluss heute nicht sehen, Schätzchen«, sagte Gemma zu Charlotte. »Es ist schon spät, und zu Hause warten die Hunde bestimmt schon sehnsüchtig auf uns.«
Melody stand auf und zerzauste Charlottes Löckchen. »Du musst mal Doug in Putney besuchen.« Sie warf Cullen einen verschmitzten Blick zu, worauf dieser mit einem Stirnrunzeln reagierte. Gemma fragte sich, was sie da verpasst hatte.
»Ich gehe besser mal rüber«, sagte Doug. »Danke fürs Mitnehmen, Melody.« Er winkte ihnen linkisch zu und ging über den Fußweg davon.
Gemma drehte sich wieder zu Melody um. »Was –«
»Wo geht Doug hin?«, rief Charlotte dazwischen. »Doug soll nicht weggehen.«
»Mami«, jammerte Toby. »Ich will aussteigen. Alle anderen sind auch draußen.«
Gemma sah Melody an und verdrehte die Augen. »Wir müssen jetzt los, sonst kommt es noch zur Katastrophe.« Plötzlich deprimierte sie der Gedanke, allein mit den drei enttäuschten Kindern zu Hause anzukommen, und so fügte sie hinzu: »Wenn du gerade nichts zu tun hast, warum schaust du nicht bei uns vorbei, wenn wir wieder in London sind? Wir lassen uns Pizza kommen oder irgendwas. Dann können wir mal wieder ausgiebig schwatzen.«
Melody lächelte. »Abgemacht. Ich bring den Wein mit.«
Kincaid hatte sich ein paar Minuten Zeit genommen, um Cullen über den Stand der Dinge zu informieren, noch einmal kurz mit Rashid zu sprechen und sich einen Plan zurechtzulegen.
Als Kieran, der Suchhundeführer, darauf bestand, sie zu dem geborgenen Ruderboot zu begleiten, warf seine Kollegin Tavie ein, als Teamleiterin sollte sie ebenfalls dabei sein. Sie müsse schließlich den Helfern, die das Boot bewachten, die Anweisung erteilen, das Feld zu räumen, sobald die Polizei den Tatort gesichert hatte.
Die Hundeführer hatten jedoch ihre Autos am Berkshire-Ufer des Flusses stehen lassen, auf halbem Weg zwischen dem Leander-Club und dem Wehr. Da es bald dunkel werden würde, blieb ihnen keine Zeit, zu Fuß zu ihren Fahrzeugen zurückzugehen, um über Henley auf die andere, zu Buckinghamshire gehörige Seite zu fahren, wo das Boot gefunden worden war.
Allerdings hatte DI Singla derart entsetzt auf den Vorschlag reagiert, die Hundeführer und ihre Hunde könnten bei ihm mitfahren, dass Kincaid eingesprungen war. »Kommen Sie doch mit mir. Ich habe reichlich Platz.«
»Danke«, antwortete Tavie. »Wenn wir fertig sind, fährt uns bestimmt jemand zurück auf die andere Seite.« Sie hatten es Rashid und den Kriminaltechnikern überlassen, die Tote zum Leichenwagen zu transportieren, und waren im Gänsemarsch über den Steg ans andere Ufer zurückgegangen. Kincaid bildete die Nachhut, und er war beeindruckt von der Leichtigkeit, mit der die Hunde die Passage über das rauschende Wasser des Wehrs bewältigten.
Als sie am Straßenrand anlangten, taxierte Cullen skeptisch den Astra. »Ist das Ihrer? Seit wann?«
»Passen Sie auf, was Sie sagen«, entgegnete
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