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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Daria drückte die Wange an Rolands Rücken. »Ich glaube beinahe, Ihr seid ein Zauberer, Roland. Alles verlief so einfach. Und da habe ich zwei Monate lang über eine Flucht nachgedacht und meinte schon, sie würde mir nie gelingen.«
    »In solchen Dingen bin ich sehr gut«, sagte Roland. »Ich habe vor langer Zeit gelernt, daß man am leichtesten mit einer Lüge durchkommt, wenn man sich möglichst nahe an der Wahrheit hält. Ich muß aber auch sagen, daß wir großes Glück gehabt haben. Doch wenn der Graf sich befreit und seine Männer nüchtern gerüttelt hat, wird er hinter uns herjagen. Deshalb dürfen wir nicht bummeln.«
    »Ich will auch nicht bummeln«, sagte sie und legte ihre Arme um seinen Leib. »Aber das Tier, auf dem wir reiten, Roland, ist kaum schneller als eine Schnecke.«
    »Nur Geduld. Ganz in der Nähe wartet auf uns mein Kampfroß.«
    »Wollt Ihr mich zu meinem Onkel zurückbringen?«
    »Nicht gleich. Das wäre verkehrt. Zunächst müssen wir den Grafen in die Irre führen.«
    Sie ritten ungefähr eine Stunde in nordwestlicher Richtung, nach Wales hinein. Schließlich bog Roland von der schmalen, mit dichten Hecken und Eibenbüschen gesäumten staubigen Straße und hielt vor einer kleinen, aus Flechtwerk und Schlamm errichteten Hütte mit mehreren sehr alten und halb verfallenen Nebenbauten. Sofort kam ein Mann heraus und lief rasch auf sie zu. Lächelnd sagte Roland zu Daria: »Jetzt wechseln wir auf mein Pferd über.« Er half ihr beim Absteigen und hieß sie warten.
    Er verschwand mit dem Mann hinter der Hütte und kam mit einem prächtigen Pferd zurück. Das Tier war schlank und kräftig, schwarz wie die Nacht und wirkte so stolz wie ein König.
    Daria sah, wie er dem Mann Geld gab. Der Mann grinste und sagte: »Ja, ja, Ile pum buwch, Ile pum buwch.«
    Roland half Daria auf sein Roß, stieg dann selber auf und sagte zu dem Mann: »Vergiß nicht, du mußt nach Südwesten reiten! Du ziehst meine Mönchskutte an und reitest mit jenem Pferd etwa zwei Stunden lang. Dann läßt du das Pferd laufen und legst die Kutte irgendwohin, wo unser guter Graf sie finden kann.«
    Der Mann nickte und winkte Roland einen kurzen Abschiedsgruß zu.
    Staunend betrachtete Daria den Mann, der zu ihrer Befreiung nach Tyberton gekommen war. Wie hatte sie ihn je für einen Priester halten können? Die anderen Frauen in der Burg hatten gleich gemerkt, daß er ein Mann dieser Welt, ein Mann der Tat war. Nur sie nicht. Jetzt hatte er einen Waffenrock aus grobem rostfarbenem Wollstoff angelegt, und an dem breiten Ledergürtel hingen Schwert und Dolch. Er wirkte gefährlich und unerhört kraftvoll. Wieder legte sie die Wange an seinen Rücken und genoß die Verwandlung.
    Beim Anreiten fragte sie: »Was hat er gesagt, als Ihr ihm das Geld gabt?«
    »Ihr habt ein gutes Ohr. Er sagte, er könne sich jetzt vier Kühe leisten - nämlich von dem Geld, das ich ihm für seine Hilfe schenkte.«
    Zu Rolands Überraschung wiederholte sie klar und deutlich: »Lle pum buwch.«
    »Ihr habt wohl in den zwei Monaten auf Tyberton ein wenig walisisch gelernt?«
     »Nein. Denn der Chef haßt die Waliser so, daß er ihre Sprache auf Tyberton verboten hat. Wenn er irgend jemand fremdländisch sprechen hörte, ließ er ihn auspeitschen. Außerdem hat er mich von allen Leuten ferngehalten.«
    Der leichte Nieselregen hatte aufgehört. Aber der Himmel hing voll dunkler Wolken, die noch mehr Regen vor Mitternacht verhießen. Immer regnete es in Wales, immer. Roland zog die Lederriemen der beiden Taschen an, die er dem Pferd übergelegt hatte.
    Ein paar Minuten später merkte er, daß Daria eingeschlafen war. Sie lehnte schlaff an seinem Rücken und war in Gefahr, seitlich abzurutschen. Rasch packte er ihre abgleitenden Hände, führte sie zusammen und hielt sie mit einer Hand an seiner Taille fest. Die Luft roch stark nach Meer und feuchtem Moos. Er seufzte. Hoffentlich blieb es noch einigermaßen trocken, bis sie Trefynwy erreichten. Dann würden sie nach Osten abbiegen und durch die Schwarzen Berge mit ihren abweisenden, feindlichen Gipfeln und nackten Felsenbändern reiten, wo sie niemand mehr finden würde. Mit Darias bisherigem Verhalten war er mehr als zufrieden. Sie schenkte ihm so großes Vertrauen, daß sie es tatsächlich fertigbrachte, auf der Flucht zu schlafen. Bemerkenswert!
    Sein Pferd Cantor schnaufte, und Roland ließ es langsamer gehen. Sie hatten noch eine größere Strecke zurückzulegen, bevor Roland beruhigt anhalten und

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