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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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eine Weile rasten konnte. Es war zu bezweifeln, daß der Graf ihre Spur schnell sichtete - falls er sie überhaupt fand. Roland hatte den Weg nordwärts durch Wales mit Absicht gewählt, weil ihn der Graf wohl kaum ernsthaft in dem Lande suchen würde, das ihm so verhaßt war. Als Engländer würde er meinen, daß nur ein Verrückter freiwillig nach Wales flüchten würde.
    Zufrieden mit seinem listigen Plan, lachte Roland leise, denn es gab noch etwas äußerst Wichtiges, von dem der Graf nichts ahnte und das er auch nie erfahren würde.
    Es begann zu donnern. Er hatte am nächsten Morgen Abergavenny erreichen wollen. Jetzt wußte er, daß sie es nicht schaffen würden. Der erste Regentropfen platschte auf seine Stirn, und er fluchte leise. Nun mußte er eine Unterkunft finden, in der sie den Regen abwarten konnten.
    Das Gelände, das sie gerade durchquerten, war günstig für sie. Es gab dichte Wälder, die ihnen nicht nur Deckung vor Verfolgern, sondern auch Unterschlupf vor dem immer stärker werdenden Regen boten. Wenn er sich nicht irrte, befand sich in der Nähe von Usk eine ziemlich geräumige Höhle, ein Stück nach Westen von der Straße entfernt. An seinem Rücken spürte er, daß Daria vor Kälte zitterte. Sie war also wieder wach. Er steckte seine Hand in eine der Taschen und holte ein Lederwams hervor. »Hier, das halten wir uns über den Kopf, um etwas Schutz zu haben.«
    »Ich habe gehört, daß es hier mehr regnet als irgendwo anders auf der Welt«, sagte sie.
    »Das kann durchaus sein«, sagte er. »Jedenfalls mehr als im Heiligen Land.« Mit dem Lederwams über ihren Köpfen ritten sie weiter. »Solange wir uns in Wales aufhalten, spielt ihr meinen taubstummen kleinen Bruder.«
    »Sprecht Ihr walisisch, Roland?«
    »Ja. Das gehört zu meinen Talenten. Ich lerne fremde Sprachen leicht und schnell.«
    »Dann bringt es mir bei! Ich habe keine Lust, die ganze Zeit über zu schweigen.«
    Er war versucht zu lachen, denn Walisisch war die schwerste Sprache, die er gelernt hatte. Es war sogar noch schwieriger als Arabisch. »Wißt Ihr noch, was dieser Bauer gesagt hat?«
    »Lle purti buzvch. Jetzt kann ich mir vier Kühe leisten.«
    Roland war nie einem Menschen begegnet, der so sprachbegabt war wie er. Ganz traute er Darias Fähigkeit noch immer nicht, obwohl er wußte, daß sie fließend Latein beherrschte.
    »Ihr braucht mir nur so viel beizubringen, daß ich keinen Taubstummen zu spielen brauche.«
    Nun, warum nicht? dachte er. In der nächsten Stunde lehrte er sie einfache Sätze und mußte zugeben, daß er sie unterschätzt hatte. Sie war vielleicht noch begabter als er, das Wesen einer Sprache aufzufassen. Als sie schließlich eine brauchbare Höhle fanden, in der sich keine Berglöwen und Bären aufhielten, waren sie beide vom Regen total durchnäßt, und Daria beherrschte bereits mit guter Aussprache einen kleinen Schatz an walisischen Worten und Sätzen.
    »Hier werden wir abwarten, bis der Regen aufhört - falls er je aufhört.«
    »Ja, Roland«, sagte sie und sog tief die Luft ein. »Wie das riecht! Nach Meersalz, dem Moos an den Felsen, nach Heide und Farnkraut. Es ist ein sehr lebendiger Geruch.«
    Sie troff vor Nässe und zitterte in der Kälte. Er zog das letzte trockene Lederwams aus der Tasche. »Zieht Euch das an!«
    Zum Umkleiden ging sie von ihm weg in den dunklen Teil der Höhle. Sofort rief er ihr mahnend zu: »Nein, bleibt in der Nähe, Daria! Es lauern bestimmt noch wilde Tiere hier, und ich will nicht, daß Ihr gefressen werdet oder Euch im Inneren des Berges verirrt.« Sie kam sofort zurück, und er schlug vor: »Setzen wir uns, und essen wir das Brot, mit dem der Bauer uns versorgt hat!«
    Während des Essens lehrte er sie die walisischen Bezeichnungen für Lebensmittel und verschiedene Tiere. Als letztes wiederholte sie müde das Wort dafad, was Schaf bedeutet, dann schlief sie ein.
    Er lehnte sich an die Felswand der Höhle und zog sie an sich. Sein Pferd wieherte leise. In die Stille drang das laute Krächzen der Saatkrähen. Er hörte sogar den Wasserfall, der durch einen nahe gelegenen Buchenwald tosend herunterschoß. Was sie über den Geruch der Luft gesagt hatte, traf zu. Selbst in der dunklen Höhle stieg ihm der Geruch nach Gras, Farnkraut, Wasser und Wind in die Nase.
    Lächelnd fiel auch er in Schlaf, ohne das Mädchen loszulassen, das so gut walisisch wie ein Einheimischer sprechen würde, wenn sie genügend Zeit zum Lernen hätte.
    Bei Tagesanbruch hörte es auf zu

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