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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sich einsickern. Er wälzte sich wieder auf den Rücken, so daß sie an seiner Seite lag. »Jetzt wird geschlafen, Daria.«
    »Schon gut, Roland«, sagte sie, während ihr vielerlei Gedanken durch den Kopf gingen. Was würde ihr Onkel Damon wohl tun, wenn sie nicht als unberührte Jungfrau zurückkam?

6
    Beim Abschied am nächsten Morgen drückte Roland dem Prior ein Goldstück in die Hand. Der alte Mann beeilte sich, ihnen umfassende Segenswünsche mit auf den Weg zu geben.
    Es regnete wieder. Daria atmete tief ein. »Es riecht so anregend nach Grün«, sagte sie.
    »Bore da«, sagte Roland.
    Sie stieß mit dem Kinn an seine Schulter. »Was heißt das?« »Guten Morgen. Wiederholt es!« Sie tat es, und danach setzte er den Unterricht fort, bis er Cantor an einem schäumenden Bach halten ließ. Sie waren hoch im Wye-Tal, die Luft war kühl und der Himmel zartblau.
    »Bald sind wir in Rhayader, wo Markt gehalten wird, wie ich hörte. Da werden wir uns Lebensmittel kaufen.«
    »Bin ich immer noch Euer Bruder?«
    Roland nickte. »Verhaltet Euch möglichst unauffällig! Ich bin nicht in der Stimmung, mit noch mehr Männern zu kämpfen, die Euch als Frau erkennen und Gelüste kriegen.«
    Rhayader war eine verschlafene Kleinstadt, in der es mehr Schafe als Menschen gab. Auf dem Markt war nur wenig Betrieb, denn die meisten Waren hatte man schon verkauft. Roland kaufte Brot, Käse und Äpfel. Man nahm kaum von ihnen Notiz. »Das liegt nicht daran«, erklärte ihr Roland, »daß wir keine Waliser sind. Wir sind einfach Fremde, die keinen interessieren.« Sie hörte ihm zu, wenn er walisisch sprach, und achtete darauf, wie er die schwierigen Laute herausbrachte.
    Zu Mittag aßen sie am Rhaidr Gyw, dem Wye-Wasserfall, zwischen wildem Gras und Heidekraut. Es war eine schöne Gegend, es roch gut, und das Tosen des stürmischen Wasserfalls erfüllte die Luft. »Dieses Land ist so einzigartig wie ein seltener Edelstein«, sagte Roland, an einem Apfel kauend. »Solange es nicht regnet, kann man sich an seinen Farben nicht sattsehen.«
    »Wo geht es jetzt hin, Roland?«
    »Zuerst reiten wir nach Wrexham. Dann zu Richard de Avenells Burg Croyland. Richard de Avenell ist ein Markgraf, und Croyland liegt gleich hinter der Grenze an der Straße nach Chester.«
    Sie nickte. »Wie lange bleiben wir dort?«
    »Nicht lange.« Ihre nächste Frage erriet er im voraus und beantwortete sie gleich: »Menyw.«
    Es war das Wort für >Frau<. Sie wiederholte es und fragte dann: »Und wie heißt >Ehefrau    »Givrang.«
    Das wiederholte sie mehrere Male. Man wußte ja nie. Außerdem amüsierte es sie, daß es ihn offenbar nervös machte.
    Danach verfiel Roland in Schweigen. Den ganzen Rest des Tages über schien er geistesabwesend. Die Nacht verbrachten sie unter dem überhängenden Vordach einer niedrigen Höhle.
    Am nächsten Morgen fragte sie ihn: »Was fehlt Euch, Roland?«
    »Nichts«, beschied er sie knapp. »Morgen nachmittag werden wir in Wrexham sein.«
    Sie ritten über einen Berg, dessen Spitze ein uraltes Fort einnahm.
    Weiter ging es durch bewaldete Täler und an drei Wasserfällen vorbei. Es war eine herrliche Landschaft, und Daria begeisterte sich an ihr. Sie genoß die nie gekannte Freiheit.
    Doch war deutlich zu sehen, daß Roland ihre Freude nicht teilte.
    »Erzählt mir von Eurer Familie, Roland!«
    »Ich habe einen Bruder. Es ist der Graf von Blackheath. Er kann mich allerdings nicht leiden. Das ist jedoch nicht von Belang. Ihr braucht ihn schließlich nicht kennenzulernen. Im übrigen habe ich so viele Onkel, Tanten und Vettern, daß ich mich gar nicht an alle erinnern kann. Wir sind aus kernigem Holz und vermehren uns reichlich.«
    »Warum könnt Ihr mich nicht leiden?«
    Er drehte sich im Sattel um. »Warum ich Euch nicht leiden kann?«
    »Ihr unterhaltet Euch nicht gern mit mir. Und wenn Ihr Euch einmal dazu herablaßt, tut Ihr es mit scharfen Worten.«
    »Ich muß die Dinge abwägen«, sagte er, und damit hatte sie sich zufriedenzugeben.
    An diesem Abend machte Roland noch vor Einbruch der Dunkelheit halt. Als Erklärung sagte er nur: »Cantor ist müde. Wir müssen ihm Ruhe gönnen.«
    Doch als erster war Roland eingeschlafen. Der Mond ging gerade am klaren walisischen Himmel auf. Daria lag, auf einen Ellbogen gestützt, neben ihm und betrachtete sein Gesicht. Er schlief, ohne zu schnarchen. Der Schlaf glättete seine Sorgenfalten. Wie jung er aussieht, dachte sie. Zögernd fuhr sie ihm mit dem Finger von der Wange den

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