Die Stimme des Blutes
Knabe bist.«
»Ja. Ich habe ihm gesagt, du wärst mein Ehemann und wolltest mich zu deiner Familie in Leominster bringen. Du wärst Waliser und ich nur zur Hälfte. Damit wollte ich erklären, daß ich die Sprache nur schlecht beherrsche. Und meinen Aufzug als Knabe erklärte ich ihm damit, daß du es aus Sicherheitsgründen so für besser gehalten hättest.«
»Was der Gottesmann doch wohl kaum gutgeheißen hat.«
»Er hat nichts dazu gesagt. Er scheint ein sehr nachsichtiger Priester zu sein. Übrigens erwarte ich jeden Augenblick den Arzt. Er ist kein Dummkopf, er hat dir geholfen. Geht es dir wirklich besser, Roland?«
»Ja. Aber du bist sehr blaß. Warst du die ganze Zeit bei mir in dieser trübseligen kleinen Kammer?« »Nun, einer mußte doch kochen, dich waschen und deinen Waffenrock ausbessern.«
Er lächelte zerstreut und verkündete dann: »Morgen reiten wir in aller Frühe weiter.«
»Nein, kommt nicht in Frage. Wir reiten erst weiter, wenn du wieder zu Kräften gekommen bist.«
»Du wagst es, mir Anordnungen zu geben?«
Ihre Arme legten sich um seine Schultern, und sie drückte ihn an sich. »Reg dich nicht auf, Roland! Du wirst so lange hierbleiben, bis der Arzt erklärt, daß du weiterreiten kannst, ohne vom Pferd zu fallen - und wenn ich dich anbinden müßte!«
»Hast du etwa ganz den Grafen von Clare vergessen, der so begierig auf deinen schönen Körper ist?«
»Ich habe nichts vergessen«, sagte sie knapp.
Die Augen taten ihm weh. Ärgerlich sagte er: »Mach das verdammte Licht aus! Es sticht mir in die Augen.«
»Ja, gut.«
»Du bist auf einmal so nachgiebig. Da stimmt doch etwas nicht. Eine Frau, die ihrem Mann nachgibt, will ihn reinlegen. Hast du mein ganzes Geld ausgegeben?«
Sie fuhr ihm leicht mit der Hand über die Stirn, zerzauste ihm ein wenig das Haar und glättete es dann wieder.
»Verdammt noch mal, Dirne, du bist nicht meine Mutter!«
»Sehr wahr«, sagte sie.
»Mit dir bin ich schwer gestraft. Ich bezweifle, daß mich das Geld, das dein Onkel mir zahlen wird, für die Tage in deiner tyrannischen Gesellschaft entschädigen kann.« Plötzlich sagte er: »Ich muß mal.«
Daria nickte. »Ich hole dir den Nachttopf und helfe dir.«
»Ich brauche keine Hilfe. Ich will allein sein, wenn ich mich erleichtere.« Er sah sie böse an, warf die Decken zurück und setzte sich auf. Doch weiter kam er nicht. Er war noch zu schwach. Er hatte sie mit seiner Größe einschüchtern wollen, vielleicht sogar mit seiner imponierenden Manneszier. Aber bei allen Heiligen, im Augenblick hätte er nicht mal einen Zwerg einschüchtern können. Er sah an sich herunter. Sogar sein Geschlecht ließ ihn schmählich im Stich. In diesem Zustand würde sein Glied nicht einmal die schüchternste Jungfrau erschrecken. Und Daria hatte schon bewiesen, daß sie alles andere als schüchtern war.
Daria wich nicht. Sie kannte seinen Körper jetzt so gut wie ihren eigenen, denn sie hatte ja in den letzten drei Tagen ständig für ihn gesorgt. »Willst du allein aufstehen? Werde ich das Vergnügen haben, dich wieder umfallen zu sehen? Ich bezweifle, daß ich stark genug bin, dich wieder aufzuheben. Du wirst also nackt am Boden liegen, und ich muß Romila holen, damit wir dich zu zweit ins Bett schaffen können. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, daß Romila eine Vorliebe dafür hat, sich deinen Körper genau anzusehen und recht unverblümte Bemerkungen darüber zu machen. Na, Roland, was meinst du dazu?«
»Ich sage, daß du lästig wie eine Wespe bist und daß unsere Begegnung ein rechtes Unglück für mich war.«
Dabei zitterte er vor Schwäche oder vor Kälte. Das bewog sie zum Einlenken. »Roland, sei doch nicht so stolz! Das ist Dummheit. Laß mich dir helfen! Ich würde mir auch von dir helfen lassen, wenn ich es nötig hätte.«
Er gab nach. Aber es wurde eine Qual für ihn. Als er seine Notdurft erledigt hatte, brachte sie ihn fürsorglich wieder zu Bett. Kein Wort wurde dabei gesprochen. Er überlegte, ob er heimlich ausbrechen könnte, wenn sie schlief. Dann verfluchte er im stillen das Geld ihres Onkels. Er wollte es nicht mehr haben, wenn er deswegen vor ihr seine Notdurft verrichten mußte. Sie hatte sich dabei zwar umgedreht, aber das änderte nichts daran, denn sie war dabeigewesen und wußte, was er tat.
Normalerweise hätte es ihn wenig gekümmert. Sie hätte ihm bei allem zusehen können. Aber nicht, wenn er so schwach und hilflos war, so kläglich anzuschauen. Das machte es
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