Die Stimme des Daemons
Security-Raum aus mit Kameras beobachten. Wenn in dem Schnapsladen auch solche Kameras installiert sind und er von irgendwo aus zusehen kann, was drinnen passiert, dann bräuchte er nicht das Risiko eingehen, sich hier aufzuhalten.«
»Scheiße!« Zack rieb sich das Gesicht mit beiden Händen. »Wenn das der Fall ist, dann werde ich ihn wohl kaum hier irgendwo herumschleichen sehen.«
Sam seufzte. »Dann kannst du mich auch gleich draußen vor dem Laden absetzen. Solange wir nicht mehr wissen, hat dieser Scheißkerl alle Trümpfe in der Hand.«
Als Sam auf die massive Stahltür des Spirituosenladens zuging, krampfte sich alles in ihm zusammen. Es war, als würde man die Theaterbühne betreten, mit dem Gefühl, gerade den ganzen Text vergessen zu haben und sich gleich übergeben zu müssen.
Im Gehen rief er sich noch einmal die Vorbereitungsmaßnahmen in Erinnerung, die er im Auto getroffen hatte. Mit einem kleinen Schlüssel hatte er den Sicherheitsmechanismus des Revolvers gelöst und ihn mit fünf Patronen Kaliber.45 geladen. Die sechste Kammer ließ er leer, wie er es gelernt hatte, um zu vermeiden, dass sich versehentlich ein Schuss löste.
Nach wenigen Schritten musste er den Revolver unauffällig in die Westentasche stecken, weil der Stahl der Waffe sich unerklärlicherweise immer heißer an seiner Haut angefühlt hatte. Dass sie nun geladen war, beruhigte ihn nicht wirklich – vielmehr kam er durch ihr Gewicht irgendwie aus dem Gleichgewicht.
Es gab nur ein einziges Fenster in der Fassade aus solidem Backstein, doch auch diese Lichtquelle war durch schwarzen Stahl abgeschirmt. Der Laden wirkte so unfreundlich, dass sich Sam fragte, ob der Besitzer nicht vielleicht unter der Hand auch Drogen und Thai-Pornos verkaufte.
Als er durch die schwere Tür trat, ertönte ein Summer mit einem überraschend ordinären Rülpston.
Sam blickte sich in dem Geschäft um und bemerkte mehrere Kameras in den Ecken an der Decke. Es gab jede Menge massive Holzregale, die mit Spirituosenflaschen aller Art gefüllt waren. An der hinteren Wand wurden in großen Kühlschränken mit Glastüren auch Bier, Wein und Alcopops angeboten.
»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte eine schroffe Stimme.
Sam drehte sich um und sah einen Mann mit hoher Stirn, buschigen rötlichen Augenbrauen und einem Schnurrbart, der an ein Walross erinnerte. Er war kaum mehr als einen Meter sechzig groß und fast ebenso breit, ein massiver Schrank von Kerl.
»Ich sehe mich erst einmal um«, antwortete Sam. »Ich brauche zwei große Flaschen.«
»Angelausflug?«, fragte das Walross mit einem angedeuteten Lächeln.
»Kleines Fest in der Nachbarschaft«, antwortete Sam.
Für einen kurzen Moment wurde ihm bewusst, dass seine Antwort nicht einer gewissen Ironie entbehrte. Sam kannte seine Nachbarn kaum, weil er nachts arbeitete und tagsüber schlief, aber auch weil er dummerweise nicht wollte, dass ihn die Leute nur als Sicherheitswächter kannten. Als professioneller Schauspieler – wenn auch einer, der nur mit Mühe über die Runden kam – hatte er früher einen anderen Eindruck auf die Leute gemacht als jetzt, wenn er ihnen sagte, dass er nachts in einem leeren Einkaufszentrum seine Runden drehte, Kaffee trank und von Dingen träumte, die er sich nicht leisten konnte.
»Die größeren Flaschen stehen unten«, erklärte das Walross. »Sehen Sie sich ruhig um.«
Sam nickte dankend und ging zwischen den Regalen hin und her. Er entschied sich schließlich für Wodka und Rum. Immer wieder rief er sich in Erinnerung, dass er das alles für seine Familie tat. Seine Hände schwitzten, als er in den vorderen Bereich des Ladens zurückkam und die Flaschen auf den Ladentisch neben die Kasse stellte.
Als der Geschäftsinhaber den Preis eintippte, räusperte sich Sam und spannte die Muskeln an.
»Ich muss Ihnen etwas erzählen«, sagte er vorsichtig.
Das Walross sah ihn argwöhnisch an.
»Meine Familie ist entführt worden«, erläuterte Sam. »Damit die beiden freigelassen werden, muss ich diese Flaschen hier mitnehmen, ohne zu bezahlen.«
Das Walross schnaubte ungläubig. »Das ist die dümmste Ausrede, die ich je gehört habe.«
Sam nickte. »Ich weiß, aber es ist die Wahrheit.« Sam griff in seine Westentasche. »Ich muss die hier mitnehmen.«
Das Walross verzog den Mund zu einem kalten Grinsen. »Ich sag dir was, Kumpel«, knurrte er, »geh zum Teufel. Entweder du bezahlst oder du machst, dass du verschwindest. Glaubst du, weil ich einen
Weitere Kostenlose Bücher