Die Stimme des Feuers
doch«, sagte Graelam abschätzig. »Warum schlagt Ihr sie nicht? Ein Mann kann sich von einer Frau nicht beherrschen lassen, sonst ist er kein Mann.«
»Ach«, sagte Charles, keineswegs verletzt, »so kann nur ein Mann sprechen, der niemals zärtliche Gefühle verspürt hat. Doch die Heiligen wissen, daß solche Gefühle nicht lange anhalten. Die Troubadoure machen uns allerdings mit ihren Liedern weis, daß die Damen nur von süßer Liebe träumen, und der dumme Mann muß das Spiel mitmachen, um zu bekommen, was er haben will.«
»In England sind die Männer nicht so dumm.«
»Ihr seid immer noch so grob wie früher«, sagte Charles amüsiert, »wir wollen mal so sagen, Graelam, ein Mann muß die Neugier seiner Frau befriedigen, wenn er will, daß sie sich mit seinen Seitensprüngen abfindet.«
»Eine Frau hat in die Angelegenheiten des Mannes nicht hineinzureden«, versetzte Graelam. »Wenn ich mich recht erinnere, wart Ihr in England stets von einem ganzen Schwarm von Damen umgeben, die nichts anderes wünschten, als mit Euch das Bett teilen zu dürfen.«
»Ja«, sagte Charles mit einem tiefen Seufzer. »Leider wird auch ein Mann älter, und dann muß er eine Frau zur Gattin nehmen.«
»Eine Frau hat weich und nachgiebig zu sein. Es ist ihre Pflicht, zum Vergnügen ihres Herrn beizutragen und ihm Söhne zu gebären.«
»Und Eure liebe junge Frau, mein Freund? Ist sie so weich und nachgiebig, wie Ihr es verlangt?«
Graelam sah den grauen Todesschatten auf Kassias Gesicht vor sich. »Sie ist, was sie ist.«
»Mir tut das Mädchen beinahe leid«, sagte Charles. »Es gibt keine Kavaliere unter den Engländern. Hoffentlich habt Ihr sie nicht in der Hochzeitsnacht mit Eurer riesigen Rute auf gerissen.«
»Maurice de Lorris läßt Euch schön grüßen. Und er versichert Euch seiner Treue.«
»Wie sein geliebter Neffe Geoffrey de Lacy«, sagte Charles leise. »Kurz vor Eurer Ankunft hat Geoffrey mich dazu überredet, daß er Kassia de Lorris heiraten müsse. Auch er verpfändete mir seine Treue ... und anderes.«
»Dann lügt er«, sagte Graelam ruhig. »Ich habe seine Burg Beaumanoir besucht. Seine Diener laufen in elenden Lumpen umher, und seine Mutter ...«
Charles unterbrach ihn. »Je weniger von Lady Felice gesprochen wird, um so besser.«
»... und ich würde Geoffrey de Lacy gern zur Hölle schicken, wenn ich ihn treffe.«
»Jedenfalls kann Geoffrey nicht arm sein, denn er füllt mir die Taschen. Nun gut, Graelam de Moreton, was geschehen ist, ist geschehen. Ihr habt meine offizielle Genehmigung, und ich nehme Euren Treueeid entgegen. Seht zu, daß Ihr viele Söhne zeugt, Graelam, denn das alte Geschlecht der Belleterres ist edel und stolz.«
Graelam neigte den Kopf. Die einzige Möglichkeit, Belleterre nach Maurices Tod zu halten, bestand darin, daß er Geoffrey tötete.
»Nun, mein englischer Lord, müßt Ihr mir von Euren Abenteuern erzählen und wie Ihr Eure Schätze erworben habt. Vielleicht kann ich Euch immer noch um einige erleichtern.«
Graelam tat ihm den Gefallen und erzählte von den langen schrecklichen Monaten im Heiligen Land und dem schließlich erreichten Vertrag von Caesarea. »Das Heilige Land steckt voller Dummköpfe, Charles, habgieriger Dummköpfe, die an nichts anderes denken, als ihre Schatztruhen zu füllen. Über das Elend und den Tod sehen sie hinweg. Der Vertrag wird diese Dummköpfe noch zehn Jahre lang schützen. Was meine Schätze angeht, so habe ich sie bei einem Überfall auf ein Sarazenenlager erworben.« Er sah nachdenklich in den roten Schaumwein. Auf einmal fragte er: »Und wie viele Söhne tragen Euren stolzen Namen?«
»Ich bin mit drei Töchtern geschlagen und habe nur einen Sohn. Ach, Graelam, die Abenteuer, die wir gemeinsam bestanden haben! Erinnert Ihr Euch noch an die Kaufmannstochter in London, die mit den schwarzen Hexenhaaren?«
»Ja, die kleine Hure hat mich beinahe fix und fertig gemacht!«
»Euch! Ha, ich war es doch, mit dem sie ihren Strohsack teilte und dem sie ihre Gunst gewährte!«
»Ihr macht Euch die Vergangenheit so zurecht, wie es Euch gefällt, Mylord und Herzog.«
»Ihr seid ein bissiger Hund, Graelam«, sagte Charles. Er zog die dichten Brauen zusammen und sagte in listigem Ton: »Ich nehme an, daß Ihr als frischgebackener Bräutigam während Eures Besuchs hier keusch bleiben wollt?«
Graelam grinste Charles schief an. »Ich will mir ja nicht die Pocken holen, Mylord. Meine fleischlichen Begierden können warten.«
Der Herzog
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