Die Stimme des Feuers
Monolith Burg Wolffeton, die Festung, die den Moretons gehörte, seit Herzog William nach der Schlacht bei Hastings vor mehr als zweihundert Jahren Albert de Moreton damit belohnt hatte. Albert hatte die Holzbauten der Sachsen abreißen und an ihrer Stelle eine Burg aus Stein errichten lassen, die die Nordküste gegen alle Angreifer schützte, seien es plündernde Dänen oder habgierige Franzosen. In Sturmnächten zündete man an den beiden Türmen zur Meerseite hin große Lampen an, die die Schiffe vor den tödlichen, von Felsen übersäten Wassern warnten.
In der Ferne erblickte er die Handwerker, die dabei waren, die zur See gerichtete Mauer auszubessern. Die wütenden Meeresstürme hatten zwei Jahrhunderte lang an ihnen genagt. Graelam hatte die Edelsteine, die er aus dem Heiligen Land heimgebracht hatte, zu günstigen Preisen verkauft. Der Erlös reichte aus, um Wolffetons Mauern zu flicken, Scheunen und Unterkünfte für seine Männer neu zu errichten und Schafe, Rinder sowie ein halbes Dutzend Pferde zu kaufen.
Im großen Saal und in den Gemächern der oberen Stockwerke hatte sich seit Alberts Zeiten nicht viel geändert. Die langen Wände des Saals waren nackt und primitiv. Die roh gezimmerten Tische und Bänke, sogar sein mit Schnitzereien verzierter Sessel waren ebenso nackt. Kein weiches Kissen lag darauf. Selbst in seinem großen Schlafzimmer fehlte es an jeder Bequemlichkeit. Seiner seit langem im Kindbett verstorbenen ersten Frau Marie hatte das nichts ausgemacht, ebensowenig wie ihrer Halbschwester Blanche. Ich werde wohl weich, dachte Graelam beschämt.
Rolfe, sein vertrauter Waffenmeister, hatte in dem Jahr, das Graelam im Heiligen Land verbracht hatte, in Wolffeton wohl die Disziplin aufrechterhalten. Dennoch erwarteten den Rückkehrer dringende Probleme. Es waren Urteile zu fällen, Streitigkeiten zu schlichten, die nachlässig gewordenen Bediensteten in der Burg zu höherer Pflichterfüllung anzuhalten. Sein Verwalter Blount hatte zwar seine Bücher gut geführt, aber auch er hatte es nicht geschafft, die Herstellung von Kleidung anzukurbeln und die Mädchen, die die Burg in Ordnung zu halten hatten, zu besserer Arbeit zu bewegen.
Wieder dachte Graelam an Blanche de Cormont. Als er vor einem Monat nach Cornwall heimgekehrt war, hatte sie ihn händeringend mit Tränen in den Augen empfangen. Zuerst hatte er sie gar nicht erkannt. Dann fiel ihm ein, daß sie die Halbschwester seiner ersten Frau war. Die leise, scheue Blanche war Witwe und hatte keine Angehörigen, die bereit gewesen wären, sie aufzunehmen. Deshalb war sie drei Monate vor seiner Heimkehr nach Wolffeton gekommen. Sie war nicht alt, zählte wohl erst 28 Jahre, aber um ihren Mund zogen sich erste dünne Fältchen. Ihre braunen Augen sahen ihn voll Wehmut an. Sie erzählte ihm, daß ihr Vetter Robert ihre beiden Kinder, einen Sohn und eine Tochter, in der Normandie aufziehe. Traurig berichtete sie, daß sie als Mutter dort nicht willkommen war, weil Roberts junge Frau Elise voller Eifersucht über ihren lebenslustigen Gatten wachte.
Na schön, dachte Graelam, sollte sie in Wolffeton bleiben, er hatte nichts dagegen. Sie wartete ihm auf, bediente ihn beim Abendessen und kümmerte sich um seine Kleider. Nur merkwürdig, daß das übrige Burgpersonal sie nicht zu mögen schienen. Warum, wußte er nicht.
Graelams Gedanken richteten sich jetzt auf den bevorstehenden Besuch des Herzogs von Cornwall. In dem Onkel des Königs Edward hatte er stets so etwas wie einen zweiten Vater gesehen. So war das Band zwischen ihnen fest und von gegenseitiger Zuneigung geprägt. Dennoch hoffte Graelam, der Herzog würde nicht kommen, um weitere Dienste von ihm zu verlangen. Ein Jahr des Kampfes gegen die Sarazenen im Heiligen Land waren genug für einen Mann.
Mit diesem Gedanken wendete Graelam seinen Hengst Dämon von den Klippen und ritt nordwärts auf Wolffeton zu.
Als Blanche de Cormont den näher kommenden Hufschlag vernahm, zog sie den ledernen Fenstervorhang in ihrem Stübchen auf und beobachtete, wie Graelam in den Burghof galoppierte. Sein Anblick erregte sie stark, und unwillkürlich krümmte sie die Finger bei dem Gedanken, damit in seinen dichten schwarzen Haaren zu wühlen. Wie ähnlich er ihrem Gatten Raoul war und doch wie verschieden! Verflucht sei die schwarze Seele dieses Schweinehundes Raoul! Sie hoffte, daß er in der Hölle schmorte. Mit ihm verglichen, war Graelam ein gutaussehender potenter Teufel, in dessen Bett jede junge
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