Die Stimme des Feuers
Bedienerin auf Wolffeton gern schlüpfte. Und natürlich hatte Graelam nie die Hand gegen sie erhoben. Aber sie war ja auch nicht seine Frau. Noch nicht. Aus leidvoller Erfahrung wußte sie, daß ein Ehemann seine Frau nicht anders behandelte als seine Jagdhunde oder sein Kampfroß.
Blanche überlegte, an ihrer Unterlippe kauend, wie lange sie noch die Rolle der scheuen, uneigennützigen Witwe spielen sollte, die sie instinktiv übernommen hatte. Ihr erster Mann Raoul hatte ihr schmerzvoll klargemacht, daß er ihren hochfliegenden Geist, ihre gelegentlich scharfe Zunge und ihren Stolz nicht duldete. Ebensowenig wie ihre Hartnäckigkeit. Doch was Graelam betraf, würde sie hartnäckig bleiben. Sie wollte ihn haben, mit jeder Faser ihres Leibes. Eine Witwe, eine arme Verwandte, hatte keinen wirklichen Platz in der Burg, ihre Kinder hatten keine echte Heimat und keine Zukunft. Vielleicht, dachte sie, ist es an der Zeit, Graelam Ermunterung zu geben, womöglich sogar in sein Bett zu schlüpfen, wenn es eines Nachts zufällig mal frei war!
Sie würde Graelam heiraten und dann ihre Kinder nach Cornwall holen. Sie fehlten ihr, besonders Evian, ein aufgeweckter Knabe von acht Jahren. Er würde Graelams Erbe werden, denn Blanche wollte keine Kinder mehr haben. Wenn sie an die Schmerzen bei der Entbindung von ihrer Tochter dachte, standen ihr jetzt noch die Haare zu Berge.
Blanche schüttelte die alten Erinnerungen ab und entfernte sich vom Fenster. Sie wollte Graelam im großen Saal entgegentreten, die mürrischen Bedienerinnen wegscheuchen und ihm selber aufwarten. Ein letztes Mal schaute sie in den polierten Silberspiegel. Ich muß ihm gefallen, dachte sie. Ich muß!
Zu ihrer Enttäuschung wurde Graelam von Guy de Blasis begleitet. Blanche mißtraute Guy. Sie fühlte, daß er ihre Pläne durchschaut hatte und gegen sie war. Doch sie setzte ein freundliches Lächeln auf und schritt anmutig auf sie zu.
»Guten Tag, Mylord«, sagte sie schüchtern.
Graelam wandte sich ihr zu und nickte. »Ich habe Neuigkeiten für dich, Blanche. Nächste Woche will uns der Herzog von Cornwall einen Besuch abstatten. Bestimmt schleppt er, wie es seine Art ist, eine halbe Armee mit. Wir werden noch einmal auf die Jagd gehen, bevor er kommt. Hoffentlich bringen wir nicht nur ein Kaninchen zur Strecke.«
»Zumindest einen Hirsch, Mylord«, sagte Guy, »wenn wir die Männer auf drei getrennte Jagdtrupps verteilen.«
»Möchtet Ihr ein Bier, Mylord?« fragte Blanche leise.
»Ja, und auch eins für Guy!«
Guy wartete, bis Blanche außer Hörweite war. »Habt Ihr schon etwas aus Frankreich gehört, Mylord? Von Maurice de Lorris?«
»Nein. Aber was sollte er mir auch zu berichten haben? Wenn eine Nachricht von ihm kommt, kann sie nur davon handeln, daß Geoffrey ihm Belleterre wegnehmen will. Ich kann nur beten, daß de Lacy sein Verräterschwert in der Scheide ruhen läßt, bis Wolffeton wieder völlig aufgebaut ist.«
»Ich glaube nicht, daß er einen regelrechten Angriff versuchen wird«, sagte Guy trocken. »Ihm liegt es mehr, durch die Gegend zu schleichen. Die schmutzige Arbeit überläßt er lieber gekauften Männern. Das arme Mädchen! Ich habe sie ja nicht gesehen, Mylord, aber die Bediensteten und die Männer ihres Vaters haben mir von ihr erzählt. Sie sagten alle, sie sei ein süßes, freundliches Kind, das gern lacht. Ach, es ist schlimm, wenn man so jung sterben muß.«
Graelam dachte daran, wie er ihre leblosen Finger in der Hand gehalten hatte, als der Priester die Trauungsformel herunterleierte. Jetzt konnte er nur noch nicken, denn Blanche tauchte wieder auf. Sie trug ein Tablett mit zwei Humpen eiskalten Bieres.
»Danke, Blanche«, sagte Graelam. Sein Ton besagte, daß sie wieder gehen solle. Blanche sah, wie Guy ihr einen spöttischen Blick zuwarf. Verdammter Kerl, er kann meine Gedanken lesen!
»Gern geschehen, Mylord. Vielleicht könntet Ihr mir später ein wenig Zeit widmen, wenn Ihr mit Guy gesprochen habt. Es geht mir darum, wie wir für die Unterhaltung des Herzogs sorgen wollen.«
»Vielleicht heute abend, Blanche«, sagte Graelam und wischte sich den weißen Bierschaum von der Oberlippe. »Ich muß mir noch eine neue Stute ansehen.«
Guy mußte laut lachen, wobei er Blanche im Auge behielt. »Welche meint Ihr, Mylord? Die hübsche kleine Araberstute oder das ebenso verlockende zweibeinige Füllen Nan?«
»Beide«, sagte Graelam und erhob sich. »Nan heißt sie, sagst du?«
»Ja. Keine Jungfrau mehr, aber
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