Die Stimme des Feuers
werde ich auch noch ein Kind zur Welt bringen. Nur ungern dachte sie an die Last eines Kindes im Leib und an die unvermeidlichen Schmerzen bei der Entbindung. Einen Augenblick lang rebellierte sie gegen ihr Los als Frau, mahnte sich dann aber selbst zur Ruhe. Noch hast du nicht gewonnen, Blanche. Aber sie würde gewinnen, sie mußte. Ihr eigenes und das Schicksal ihres Sohnes standen auf dem Spiel. Etwas ruhiger geworden, schlief sie dann ein.
Am nächsten Vormittag mußte sich Blanche mit den Bediensteten auseinandersetzen, vor allem mit der kecken Nan. Bisher hatten sie ihr grollend Gehorsam geleistet, offenbar weil sie geglaubt hatten, sie werde die künftige Herrin von Wolffeton sein. Sie zitterte vor Wut, als Nan, diese elende kleine Schlampe, in höhnischem Ton zu ihr sagte: »Wenn Ihr ein neues Kleid braucht, Herrin, dann fragt am besten Seine Lordschaft. Wahrscheinlich wird er seiner jungen Braut etwas kaufen, aber seiner alten Schwägerin wohl kaum. Das ist doch nur eine arme Verwandte!«
»Du kleine Hexe!« sagte Blanche mit bebender Stimme. Sie haßte nicht nur Nan, sondern auch sich selber, weil Nans Worte zutrafen. Sie griff nach Nans langem Zopf, der jetzt durch das wöchentliche Bad sauber aussah. Doch Nan war schneller. Lachend entwischte sie aus dem Zimmer.
»Ich lasse dich verprügeln!« schrie Blanche hinter ihr her.
»Der Herr wird das nicht gestatten«, verhöhnte Nan sie aus sicherer Entfernung. »Er hat mich nämlich gern glatt und heil.«
»Schlampe! Warte nur ab, bis du einen dicken Bauch kriegst! Dann wirst du sehen, wie wenig der Herr sich um deine glatte Haut kümmert!«
»Er wird mir ein nettes Häuschen und vielleicht sogar eine eigene Bedienerin geben«, erwiderte Nan.
Blanche wußte, daß das übrige Burgpersonal sie hinter ihrem Rücken auslachte. Aber wenigstens führten sie ihre Anordnungen aus.
Graelam schien wenig davon erbaut zu sein, daß sie ihren Sohn nach Wolffeton holen wollte, aber Blanche hatte so bitterlich und fast ehrlich geweint, daß er schließlich einwilligte.
Stöhnend half Graelam den Handwerkern, die einen riesigen Feldstein in die ostwärtige Außenmauer einfügten. Die körperliche Arbeit tat ihm wohl, weil sie ihn von dem Gedanken an die bevorstehende Ankunft Joanna de Moreleys ablenkte, vor der ihm graute. Er dachte an die Botschaft, die er vor wenigen Tagen an Maurice de Lorris geschickt hatte. Immer noch machte ihm das damalige Geschehen Kummer. Da er nichts von Maurice gehört hatte, nahm er an, daß Geoffrey noch nichts gegen Belleterre unternommen hatte. Sicherlich würde es nicht mehr lange dauern, bis Geoffrey von Kassias Tod erfuhr. Belleterre lag ja nicht außerhalb der Welt, und inzwischen waren zwei Monate vergangen.
Graelam reckte sich und ging dann auf den Klippenweg zu, der zu dem schmalen Strand führte. Er legte die Kleider ab und watete in das Wasser der Brandung. Er spürte den starken Sog an den Beinen und ließ sich von den Wellen hinaustragen. Das Wasser war kalt. Er achtete nicht darauf, sondern stürzte sich kopfüber in die nächste Gischtwelle.
Einige Minuten später hörte er einen lauten Schrei von den Klippen, drehte sich um und sah Guy ihm zuwinken. Während er sich mühsam wieder an Land durchkämpfte und die rauhen Felsen ihm das Gesicht aufkratzten, hörte er Guy lachen. Graelam erreichte den schmalen Strand und schüttelte sich so, wie sein großer Mischlingshund es immer tat.
»Mylord, zieht Euch etwas an, sonst erblickt Euch Eure Braut noch in Eurer ganzen Ur-Pracht!«
Graelam fluchte leise. Das Mädchen kam zwei Tage zu früh. Zweifellos waren nun seine friedlichen Tage vorüber. Er kleidete sich schnell an und ging dann den Klippenweg hinauf.
»Mylord«, sagte Guy grinsend, »wenn uns Lady Joanna so zu sehen bekommt, wird sie wahrscheinlich mich begrüßen und Euch an die Arbeit schicken.« Guy bildete sich viel auf sein grünes Samtgewand ein und strich mit der Hand durch das goldblonde Haar.
Graelam überging die Bemerkung und fragte nur: »Ist alles für die Dame bereit?«
»Meint Ihr, ob Blanche die bittere Pille heruntergeschluckt und ein freundliches Lächeln zum Willkommensgruß zustande gebracht hat?«
»Die Frau könntest du mir wirklich abnehmen!«
»Nach meinem Bett gelüstet es Blanche aber nicht, Mylord! Übrigens war es falsch, ihr zu gestatten, daß sie nach ihrem Sohn geschickt hat.«
Graelam ärgerte sich. »Um Gottes willen, Guy, hör auf! Blanche ist hübsch und so schüchtern und
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