Die Stimme des Feuers
hereinbringt! Wie konntet Ihr es wagen!«
Blanche lachte höhnisch. »Nun, Mylady «, sagte sie leise zu Joanna, »es sieht so aus, als würde eine andere Eure Hochzeit feiern.«
Joanna drehte sich zu Blanche um und kreischte wutschnaubend: »Du Hexe! Sie ist nur eine Hure! Und sie wird bald für immer von hier entfernt werden! Mein Vater wird es nicht gestatten, daß sie hierbleibt!«
Kassia hörte sie. Eine Hure! Sie merkte, daß sie wieder ein Zittern befiel. Was war nur mit ihr los? Die schrecklichen Frauen verschwammen vor ihren Augen.
»Es ... es tut mir leid«, sagte sie, nach Atem ringend. Zum erstenmal im Leben empfand sie es wie ein Segen, als tiefe Dunkelheit sie umhüllte und diesen Alptraum beendete. Zum zweitenmal in ihrem Leben brach Kassia im Stehen zusammen.
Kassia schlug langsam und voller Angst die Augen auf. Sie war unendlich müde. Zuerst sah sie alles nur verschwommen. Dann fiel ihr Blick auf den Mann - ihren Mann - neben ihr. Aus dunklen, ausdruckslosen Augen schaute er sie an. Sie empfand es beschämend, daß sie vor den Augen aller dieser Menschen wie ein dummes Schaf in Ohnmacht gefallen war.
»Nein«, sagte Graelam, »bleib still liegen!«
Sie gehorchte. Er hatte in freundlichem Ton gesprochen. Nichts daran erinnerte an sein dröhnendes Hohngelächter. »Wo bin ich?« fragte sie.
»In meinem Zimmer. Oder besser gesagt, in unserem Zimmer. Bist du noch krank?«
Auch das klang freundlich. Sie nahm sich zusammen und erwiderte seinen Blick. »Ich bitte um Verzeihung. Es ist sonst nicht meine Art, in Ohnmacht zu fallen. Aber ich habe eine lange Reise hinter mir.«
Er berührte leicht ihren Arm, und sie erstarrte. »Wir beide haben eine Menge miteinander zu besprechen. Du kamst... unerwartet. Aber zunächst mußt du dich ausruhen und wieder zu Kräften kommen.«
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte Kassia noch einmal. »Wir hatten keine Zeit, Euch vorher zu benachrichtigen. Und macht bitte meinem Vater keinen Vorwurf! Er war nur bestrebt, mich zu schützen.«
»Was ihm zweifellos gelungen ist«, sagte Graelam kühl. Er nahm ihre Hand und streifte ihr den Ring auf den Mittelfinger. »Draußen schreit deine Zofe Etta laut nach ihrem Kindchen. Soll ich sie herholen?«
In Kassias Kopf drehte sich alles. »Was werdet Ihr tun?«
»Das, Mylady«, sagte Graelam, »ist eine höchst interessante Frage. Ich kann nur hoffen, daß du nicht so schnell zur Witwe wirst, wie ich zum Witwer geworden zu sein glaubte.« Und damit schritt er zur dicken Eichentür des Zimmers.
Gleich darauf beugte sich Etta über sie. »Ruh dich aus, mein Kindchen!« sagte sie in ihrem weichen Singsang. Und Kassia ließ sich das nicht zweimal sagen.
Graelam war, in Gedanken versunken, aus dem Zimmer gegangen. Mein Gott, was für ein heilloses Durcheinander! Solange er lebte, würde er nie vergessen, wie Kassia neben Guy gestanden hatte, aufrecht und gerade, mit weit aufgerissenen Augen, in denen die Angst stand. Und doch war sie gekommen und hatte sich tapfer gehalten. Ebensowenig würde er je vergessen, wie sie lautlos zusammengebrochen war, als wäre jedes Leben aus ihr entwichen. Oder wie er ihren leichten Körper in sein Zimmer getragen hatte.
Kopfschüttelnd dachte er: meine Frau! Ein mageres Mädchen, nicht schwerer als ein Kind, und jetzt war er für sie verantwortlich. Er hatte sie lange betrachtet, als sie ohnmächtig in seinem Bett lag. Er hatte zornig auf sie sein, Wut empfinden wollen. Doch als sie schließlich erwacht war und er die bange Ungewißheit in ihren Augen sah, fühlte er sich gedrängt, sie freundlich zu behandeln.
Er war ein Dummkopf. Was in Gottes Namen sollte er jetzt tun? Als er schließlich die letzten Schritte in den großen Saal tat, wußte er, daß er lieber einer Armee von blutrünstigen Sarazenen gegenübergetreten wäre als diesen Menschen.
8
Kassia schlug blinzelnd die Augen auf und schaute in die Flamme der einzelnen Kerze im Zimmer.
»Wie fühlst du dich, mein Kindchen?«
Kassia lächelte schwach. »Ich lebe noch, Etta«, sagte sie. »Ist es schon sehr spät?«
»Beinahe zehn Uhr abends. Du hast sechzehn Stunden geschlafen. Ich habe etwas zu essen und Glühwein für dich.«
Langsam richtete Kassia sich im Bett auf. »Eigentlich«, sagte sie und besah sich ihre schmutzgeränderten Fingernägel, »möchte ich als erstes ein Bad.«
»Zuerst wird gegessen«, sagte Etta mit Nachdruck. »Danach lasse ich dir von diesen faulen Schlampen heißes Wasser bringen.«
»Wo ist Lord
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