Die Stimme des Feuers
Zweck darin bestand, ihm Lust zu bereiten, ihm Söhne zu gebären und seinen Haushalt zu führen. Aber so sehr er auch gegen die eigene Schwäche wütete, konnte er doch nicht vergessen, daß er ihr Schmerz verursacht hatte. Unwissendes kleines Mädchen! Sie merkte noch nicht mal, daß sie immer noch Jungfrau war!
13
Am nächsten Morgen aß Kassia warmes Brot zum Frühstück. Graelam beobachtete sie und dachte: sie scheint stolz auf sich zu sein. Sie glaubte jetzt, eine Frau zu sein, eine Ehefrau, und war über diese Leistung höchst zufrieden. Ihr Selbstbewußtsein war gestiegen. Sie neckte seinen Verwalter Blount, als hätte sie ihn schon ein Leben lang gekannt.
Verdammt! Wie sollte er ihr beibringen, daß ihr Jungfernhäutchen noch unversehrt war? Seufzend gestand er sich, daß es sein eigener Fehler war. Alles nur, weil er ihr keine stärkeren Schmerzen zufügen wollte. Abrupt sagte er zu ihr: »Kassia, ich will ausreiten. Du wirst mich begleiten. In einer Stunde!«
Sie sah ihn mit schüchternem Blick an, und doch leuchtete in ihren Augen ein wissender Glanz. »Mit Vergnügen, Mylord«, sagte sie freundlich, ein koboldhaftes Grübchen am Mund.
Genau eine Stunde später ging Kassia zu den Ställen, um sich dort mit Graelam zu treffen. Sie dachte an den kümmerlichen Versuch Blanches, ihr vor der Vereinigung mit ihrem Ehemann Angst zu machen. Wenn sie sah, daß Blanche der Dienerschaft Befehle erteilte, sträubte sich ihr Inneres. Nun, dachte Kassia, bin ich die Herrin von Wolffeton, und bin für den Haushalt verantwortlich.
Sie hatte sich Alice vorgeknöpft, eine Frau im mittleren Alter, die gesunden Menschenverstand und die Achtung des übrigen Personals zu besitzen schien. »Wenn ich von dem Ritt mit Mylord zurückkomme, möchte ich mir die Webstühle ansehen. Ich meine, daß wir alle neue Kleidungsstücke brauchen.«
Scharf fuhr Blanche dazwischen. »Ich bezweifle, daß Euer... Gatte damit einverstanden ist. Er duldet keine unnötigen Ausgaben.«
»Dazu brauchen wir doch nur die Wolle unserer eigenen Schafe«, entgegnete Kassia. »Und ich glaube nicht, daß Mylord auch nur das geringste Interesse an Haushaltsangelegenheiten hat.«
»Die alte Frau, die alle Webarbeiten verrichtet hat, ist vor ein paar Monaten gestorben. Es gibt hier niemand, der diese Arbeit verrichten kann.«
»Das ist doch lächerlich!«
»Leider stimmt es, Mylady«, sagte Alice.
»Ja«, sagte Blanche, ein befriedigtes Lächeln um die Lippen. »Ich habe selbstverständlich bereits Lord Graelam gebeten, einen Weber für Wolffeton einzustellen, aber er hat es abgelehnt.«
»Das kann ich mir denken«, sagte Kassia. »Doch ich werde den Bedienerinnen beibringen, wie man ordentlich webt und näht.« Inzwischen war Alice gegangen. »Ich wundere mich, daß Ihr das nicht könnt, Blanche.«
»Ich bin doch keine Dienerin!«
»Zu den Obliegenheiten einer Ehefrau gehören viele Dinge, unter anderem auch die Ausbildung des Personals. Genau wie eine Ehefrau auch viele Vorteile genießt, wie das Vergnügen an der Gesellschaft ihres Gatten!«
Blanche erblaßte. Also hatte Graelam das Mädchen inzwischen entjungfert, und offenbar hatte er ihr dabei nicht weh getan. Blanche ließ ihrer Enttäuschung freien Lauf. »Vielleicht werdet Ihr nicht mehr so viel Vergnügen an der lüsternen Gesellschaft Eures Gatten haben, wenn Ihr erst einen dicken Bauch habt!«
»Ihr sprecht, wie Ihr es versteht«, erwiderte Kassia gelassen.
»Ich?« Blanche lachte freudlos auf. »Ich bin wenigstens kein einfältiges kleines Mädchen, das sich einbildet, ihr Mann wäre ein edler
Mensch. Ich glaube nicht, daß Lord Graelam meiner Halbschwester länger als einen Monat treu war!«
»Graelam«, sagte Kassia leise, »ist ein Ehrenmann. Er wird mir nie untreu werden.« Blanche tat ihr leid, nachdem sie jetzt wußte, daß sie ebenfalls Graelam hatte heiraten wollen. »Wir wollen uns nicht streiten, Blanche. Aber Ihr hättet mir keine Lügen über die körperliche Vereinigung erzählen sollen.«
Blanche zuckte die Achseln. »Dann seid Ihr eben nicht so eng gebaut, wie es aussieht. Ich habe Euch nicht angelogen. Ich wollte nur verhindern, daß Ihr wie ein blödes Schaf zum Schlachter geht.«
»Vielen Dank für Eure Fürsorge«, sagte Kassia trocken. Kassia war sehr mit sich zufrieden. Blanches schreckliche Vorankündigung war weiter nichts als die Folge ihrer Eifersucht gewesen. Die körperliche Vereinigung mit einem Mann war bei weitem keine so schreckliche Prüfung
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