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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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zeigte auf den Samtstoff auf ihrem Schoß. »Ich frage dich noch einmal: Was machst du damit?«
    »Ach, wärst du doch nicht so leise hereingekommen, Mylord! Jetzt hast du mich ertappt!« Mit gewinnendem Lächeln schaute sie zu ihm auf.
    Er blickte sie finster an. »Ich entsinne mich nicht, daß ich dir erlaubt hätte, in meiner Truhe herumzustöbern und dich an meinen Sachen zu schaffen zu machen.«
    »Ich hätte nicht angenommen, daß du dich darüber erregen würdest, wenn ich den Samtstoff herausnehme. Es ist ein schönes Stück, und ich dachte ...«
    »Er gehört mir«, sagte er kalt. »Wenn du dir ein neues Kleid daraus anfertigen wolltest, hättest du mich vorher fragen müssen.«
    »Ich dachte, daß alles, was dir gehört, auch mein ist, genauso wie meine Sachen auch dir gehören.«
    Graelams Ton wurde eisig. »Dein Vater hat mir einen schlechten Dienst erwiesen. Deine Sachen, Mylady, gehören allerdings auch mir, aber meine Sachen gehören mir allein.«
    »Das ist ungerecht!« platzte sie heraus.
    »Verdammt noch mal!« fluchte Graelam. »Nur weil ich dir gestattet habe, auf Wolffeton die Burgherrin zu spielen ...«
    »Zu spielen!« Kassia war aufgesprungen, und der kostbare Samt glitt zu Boden.
    »Heb den Stoff auf! Ich wünsche nicht, daß er schmutzig wird. Und trenne ihn wieder auf!«
    Nach einer Weile fragte sie mit bebender Stimme: »Und wofür hast du den Samt bestimmt, Mylord?«
    Graelam starrte seine Frau ungläubig an. Es war wohl dumm von ihm gewesen, so nachsichtig mit ihr zu sein. Die arme Blanche! Ob Kassia wirklich so unfreundlich mit ihr umgesprungen war, wie sie es ihm unter Schluchzen erzählt hatte? Er knirschte mit den Zähnen. »Und laß nicht noch einmal deine schlechte Laune an mir aus!«
    Draußen stand Etta an der Tür und lauschte mit wachsender Beklemmung. Dann kam sie zur offenen Tür herein. Gerade in diesem Augenblick schrie Kassia, die in ihrem Zorn keine Angst mehr spürte, den Lord an: »Nein!«
    »Mein Kindchen!« rief Etta. »Ihr habt wohl den Waffenrock für den Lord schon fast fertig, wie? Da wird er sich aber freuen. Oh, Entschuldigung, Mylord! Ich habe Euch gar nicht gesehen.«
    Graelam war wie vor den Kopf geschlagen. Langsam bückte er sich, hob den Samt auf und legte ihn sich über den Arm. Er fuhr mit den Fingern über den teuren Stoff, betrachtete die erlesene Näharbeit und kam sich wie ein Esel vor. Ohne den Kopf zu heben, befahl er Etta: »Raus mit dir!«
    Ihren Rosenkranz an sich gedrückt, verließ Etta fluchtartig das Zimmer. Hoffentlich, dachte sie, habe ich meine Herrin vor Schwierigkeiten bewahrt!
    »Es soll also ein Waffenrock für mich werden«, stellte Graelam fest.
    »Ja. Du bist so groß, und alle deine Hemden und Röcke sind abgetragen und passen dir nicht. Ich wollte aber, daß du anständig gekleidet bist, wie es sich für dich geziemt.«
    Er warf ihr den Stoff zu. »In Zukunft wirst du mich vorher fragen. Und wenn ich dir eine Frage stelle, Mylady, hast du eine ehrliche Antwort zu geben.« Er hatte ohne Erregung, aber in kaltem Ton gesprochen. Danach machte er kehrt und ging aus dem Zimmer.
    Nachträglich sah Kassia ihren Fehler ein. Sie hätte ihm sofort sagen sollen, daß sie kein Kleid für sich nähte. Aber trotzdem, wie konnte er es wagen, sie so zu behandeln! Von wegen, sie ließe ihre schlechte Laune an ihm aus!
    Gleich darauf entdeckte sie mehrere Fehler an ihrer Arbeit und riß sie wieder auf. All ihre Wut ließ sie an den Nähfäden aus.

15
    Graelam stand auf den Burgmauern und schaute über die welligen grünen Hügel nach Osten. Vergeblich hatte er versucht, die beiden Probleme zu lösen, die ihm Blount vorgetragen hatte. Zwei Bauern wollten dasselbe Mädchen heiraten. Zwei andere stritten sich um ein Schwein.
    Er drehte sich um und sah die Sonne im Westen schon dicht über dem Horizont.
    »Mylord!«
    Es war, als hätte sein Wunsch sie hergezaubert. Langsam wandte er sich Kassia zu, die in geringer Entfernung mit gesenktem Kopf stand.
    »Der Bäcker hat Kuchen gebacken. Aus Mandeln und Honig, wie du es liebst. Ich dachte, sie würden dir schmecken.«
    »Kannst du nicht näherkommen?«
    Sie kam gehorsam näher, aber nur zögernd. Der Sonnenschein malte kupfern und golden glänzende Punkte auf ihr Haar.
    »Ich will keinen Kuchen«, sagte er.
    Kassia hob den Kopf. Sie war blaß. »Deswegen bin ich auch eigentlich nicht gekommen.«
    »Weswegen dann?« fragte er.
    »Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich hätte den Samt nicht ohne

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