Die Stimme des Feuers
Diesmal sollte es anders sein. Und wenn er mich auch schlägt, dachte sie. Sie öffnete die Lippen um einen Spalt, und als er die Zunge hineinschob, biß sie kräftig zu.
Wutentbrannt fuhr er zurück. »Du kleines Biest!« keuchte er und faßte sich an den Mund. Dann rüttelte er sie an den Schultern, bis ihr Kopf hin und her flog.
Sie überschüttete ihn mit wilden Vorwürfen. »Du willst mich also wieder dazu zwingen? Mich vergewaltigen? Ich lasse mich von keinem Mann mehr anrühren, hörst du? Von keinem! Ihr seid alle brutale, selbstsüchtige Tiere! Du hast mir mal von Vergnügen gesprochen! Ha, für eine Frau gibt es das nicht. Sie muß still daliegen und eure brünstige Grausamkeit ertragen! Du hast mich immer nur angelogen, Graelam! Ich hasse dich!«
Er hob die Hand. Sie riß sich los und schrie ihn an: »Dann bring mich doch um! Was kümmert es mich?«
Wortlos wandte er sich ab und stieg die Holztreppe zum Burghof hinab. Verdammt noch mal, sie ist doch nur eine Frau, die mir gehört! Sie darf nur tun, was ich ihr gestatte.
Und doch verfolgte ihn ihr stoßweises Schluchzen ...
Kassia zog den Mantel enger um sich und ging zur Burg. Im Burghof standen Graelams Krieger. Sie reckte die Schultern und stieg die Stufen zum großen Saal hinauf, ohne ihre Blicke zu beachten. So kam sie bis ans Schlafzimmer. Aber als sie die Hand auf den mächtigen Bronzehandgriff legte, erstarrte sie plötzlich. Nein, dachte sie wild, er wartet da drin ja nur auf mich. Langsam ging sie zur Spinnstube. Durch die offenen Fenster fiel der Mondschein in die dunkle Kammer. Aus einer Ecke hörte sie ein merkwürdiges Stöhnen.
Und dann sah sie es deutlich. Graelam lag nackt zwischen Nans weißen Schenkeln und stieß zu. Nan stöhnte. Mit den Händen streichelte sie leidenschaftlich seinen Rücken. Dann schloß sie die Beine um ihn.
Kassia stieg die Galle in die Kehle. Ein klagender Laut kam aus ihrem Munde, sie merkte es gar nicht. Sie fuhr herum und rannte aus dem Zimmer.
Graelam war von blinder Wollust getrieben. Er wollte Kassias bleiches, verzweifeltes Gesicht aus dem Gedächtnis verbannen. Dann hörte er den verzerrten Klagelaut, drehte sich um und sah, wie Kassia fluchtartig aus dem Zimmer rannte. Im Nu war er ernüchtert und riß sich von Nans Körper los.
»Mylord«, flüsterte Nan drängend. »Bitte ...«
Ihm war speiübel. Er verfluchte sich selbst. Wie konnte er ein so verfluchter Narr sein! Er stand auf und kleidete sich an.
Kurz darauf riß er die Tür zu ihrem Schlafzimmer auf. Kassia war nicht da. Er rief ihren Namen. Sie war nirgends. Er rannte zu den Ställen. Doch sie konnte ja nicht einfach von Wolffeton wegreiten. Nie würde der Torwart für sie das Fallgitter in die Höhe kurbeln und die Zugbrücke herunterlassen.
Da fiel ihm die Geheimpforte in der Ostmauer ein. Er hatte sie ihr selber gezeigt. Das Blut gefror ihm in den Adern. Ihre Stute Bluebell stand nicht im Stall. Rasch griff er nach den Zügeln Dämons und schwang sich auf den breiten Rücken seines Kampfrosses.
Bald sah er sie vor sich. Sie ritt an den Klippen entlang. Die Stute galoppierte wie wild. Er rief Kassias Namen, doch sie ritt im selben Tempo weiter.
Kassia hörte hinter sich Hufschlag. Sie wußte, Graelam war es, der sie verfolgte. Sie schlug Bluebell die Fersen in die Flanken.
Graelam wollte der Stute in die Zügel greifen. Aber Kassia parierte scharf und trieb ihr Pferd so dicht an den Klippenrand, daß Graelam das Blut stockte. Er jagte neben ihr her, bis sie auf ebenen Grund kamen. Dann riß er Dämon scharf herum, packte Kassia um die Taille und hob sie von Bluebells Rücken. Sie wehrte sich, sträubte sich und schlug aus Leibeskräften mit den Fäusten auf ihn ein. Er brachte Dämon zu jähem Halt, drückte Kassia eng an sich und sprang mit ihr ab.
»Du kleines Dummchen!« flüsterte er. »Bei allen Heiligen, du hättest dich beinahe umgebracht!«
»Was kümmert es mich?«
Dann hob sie den Fuß und trat ihm vors Schienbein. Er war völlig überrumpelt und stöhnte vor Schmerz auf.
Leise und mit gefährlicher Ruhe warnte er sie: »Du forderst das Schicksal heraus! Hast du wirklich gedacht, du könntest mir entfliehen? Ganz allein? Du mußt den Verstand verloren haben!«
Kassia zuckte die Achseln. »Was sollte mir denn schon geschehen, Mylord? Vielleicht wäre ich von Räubern gefangen worden. Und was hätten sie mir tun können? Mich schlagen? Mich vergewaltigen? Mir die Kehle durchschneiden?«
»Du hast mich in der
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