Die Stimme des Feuers
und wälzte sich ganz auf ihre Seite.
Erst als ihr sein langsames, gleichmäßiges Atmen verriet, daß er eingeschlafen war, beruhigte sich Kassia.
16
»Eure feinen Stiche sind kaum zu sehen«, sagte Blanche. »Ihr näht wirklich besser als ich.«
Kassia sah sie überrascht an. Nach einer Weile sagte sie knapp: »Danke.«
Doch Blanche lächelte sie auf einmal an. »Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich mich eine Weile zu Euch setze? Ich muß einen Riß in meinem Rock nähen. Vielleicht kann ich dabei noch etwas von Euch lernen.«
»Was wollt Ihr, Blanche?«
»Ich will, daß wir Freundinnen werden«, sagte Blanche. »Ich weiß, ich habe mich bisher nicht gerade freundschaftlich verhalten.«
Freundschaftlich! Du hast getan, als hätte ich die Pest!
»Die Eifersucht hat mich dazu getrieben. Ich wollte Graelam für mich. Aber dann entschied er sich erst für Joanna und dann für Euch. Ich habe mich schlecht benommen. Jetzt möchte ich Frieden mit Euch schließen.«
Es war nicht so, daß Kassia Langeweile hatte oder sich unnütz fühlte. Aber sie war einsam und schrecklich unglücklich. Die vergangenen anderthalb Wochen waren ihr unendlich lang erschienen, obwohl Blount alle ihre Verbesserungsvorschläge für Wolffeton begeistert aufgenommen und in die Tat umzusetzen begonnen hatte. Graelam war es nicht entgangen, daß der große Saal von jahrelang angehäuftem Schmutz befreit und sauber geschrubbt wurde. Er hatte den Duft des frischen, mit süßem Rosmarin, Lavendel und anderen Kräutern und Blumen gemischten Schilfrohrs geschnuppert. Sie hatte auf ein Wort von ihm gewartet. Aber er hatte nur gebrummt und ihr keinen Blick gegönnt.
»Ihr habt Wunder vollbracht«, sagte Blanche voll des Lobes. »Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß Wolffeton so schön werden könnte. Und die Dienerschaft achtet und gehorcht Euch. Wißt Ihr, auch ich wollte einmal Veränderungen einführen, aber man hat mir nicht gefolgt.« Dann fragte sie kleinlaut: »Darf ich Euch beim Kissennähen helfen? Ich kann auch recht gut mit der Nadel umgehen.«
»Ja«, sagte Kassia immer noch mißtrauisch, »wenn Ihr wollt. Wir hätten es dann bald alle bequemer.«
So nähten die beiden Frauen friedlich nebeneinander, bis das Licht schwand. »Nur noch ein paar Minuten«, sagte Kassia, »und ich bin mit diesem Kissen fertig.«
»Ist es für den Lord?« erkundigte sich Blanche.
»Ja«, antwortete Kassia knapp.
Sie zuckte zusammen, als Blanche ihr sanft die Hand tätschelte. »Zwischen Euch wird noch alles gut werden, Kassia. Ihr werdet es sehen. Graelam ist an gut erzogene Damen nicht gewöhnt, aber Eure Fürsorge wird ihn anderen Sinnes werden lassen.«
Kassias Augen schwammen in Tränen. »Vielleicht habt Ihr recht. Ich danke Euch, Blanche, von ganzem Herzen.«
Das rote Samtkissen auf seinem Sessel fiel Graelam sofort auf. Es war dick und weich, mit einer Füllung aus Gänsedaunen, und schön gearbeitet.
»Ich bin schon bei einem zweiten Kissen für deine Lehne«, sagte Kassia.
»Willst du noch mehr Kissen machen? Auch für deinen Sessel?«
»Ja, aber das wird noch einige Wochen in Anspruch nehmen.«
»Der Stoff sieht ziemlich teuer aus. War Blount mit dem Ankauf einverstanden? «
Kassia ärgerte sich über seinen kaum verhüllten Vorwurf. Aber da kam Blount ihr schon zu Hilfe. »Ja, Mylord«, sagte er stolz. »Ich bin mit der Lady einer Meinung. Für Wolffeton ist das Beste gerade gut genug. Mit ihrer Tüchtigkeit hat sie schon viel erreicht.«
Brummend nahm Graelam Platz. »Na ja, besser sieht es wohl aus«, sagte er und griff nach dem Weinkelch.
Auch Blount wurde aus Lord Graelam nicht mehr klug. Er hatte jetzt schon so lange eine finstere Laune, daß alle Diener ihm aus dem Wege gingen. Wenn er zornig herumbrüllte, erstarrte ihnen das Blut in den Adern. Aber wie konnte er seine zärtliche Frau so behandeln wie sein Personal! Blount schüttelte den grauen Kopf und setzte sich zu Sir Guy an den Tisch.
Kassia wartete, bis Graelam mit gutem Appetit gegessen und zwei Kelche Wein getrunken hatte. Dann sagte sie: »Mylord, der Händler Drieux hat mir versichert, daß wir für unsere Wolle Teppiche aus Flandern bekommen können. Ich dachte an karmesinrot. Das paßt gut zu dem Sesselkissen.«
»Teppiche, Mylady?« fragte Graelam. »Gefällt dir Wolffeton so wenig, daß du aus der Burg einen Palast machen willst?«
Dieser verflixte Mann! Kassia wußte wohl, daß Graelam die bequemen und luxuriösen Einrichtungen im Heiligen Land sehr
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