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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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verfügte er bereits über sämtliche Bänder, die sich allesamt als Originale entpuppten, wie der Gutachter befand. Swanson hatte sich also keinen Betrug zuschulden kommen lassen: Die Strahlung wiederholte sich tatsächlich in regelmäßigen Abständen.
    Dieses Untersuchungsergebnis teilte Rappaport weder Howitzer noch Swansons Anwalt mit, er flog vielmehr noch am selben Tage oder, besser, in derselben Nacht nach Washington. Da er aber sehr wohl wußte, wie aussichtslos es sein kann, die Barrieren der Bürokratie nehmen zu wollen, begab er sich schnurstracks zu Mortimer Rush, dem Berater des Präsidenten für Wissenschaftsfragen und ehemaligen Leiters der NASA, den er persönlich kannte. Rush, von Haus aus Physiker und ein wirklich erstrangiger Kopf, empfing ihn trotz der späten Stunde. Rappaport wartete drei Wochen in Washington auf seine Antwort. In der Zwischenzeit untersuchten immer wichtigere Spezialisten die Bänder.
    Rush rief ihn schließlich zu einer Konferenz, an der insgesamt neun Leute teilnahmen, darunter die Leuchten der amerikanischen Wissenschaft – der Physiker Donald Prothero, der Linguist und Philologe Yvor Baloyne, der Astrophysiker Tihamer Dill und der Mathematiker und Informationstheoretiker John Bear. Auf besagter Konferenz wurde ganz informell beschlossen, eine besondere »Kommission zur Untersuchung des Neutrinobriefes von den Sternen« zu bilden, der damals, auf Baloynes halb im Scherz gemachten Vorschlag den Decknamen MASTER’S VOICE erhielt. Rush bat die Teilnehmer der Beratung, vorerst Diskretion zu wahren, weil er befürchtete, wenn die Geschichte von der Presse zur Sensation hochgespielt würde, dies nur die Bewilligung der dringend erforderlichen Gelder gefährden könnte, denn der Fall würde sofort zu politischen Auseinandersetzungen im Kongreß führen, wo Rush als Vertreter der heftig kritisierten Verwaltung ohnehin auf wackligem Posten stand.
    Es hatte den Anschein, als sei alles in die denkbar vernünftigsten Bahnen gelenkt, als sich völlig unerwartet der verhinderte Doktor der Physik Ph. D. Sam Laserowitz einmischte. Der ganzen Berichterstattung über SwansonsProzeß hatte er nur so viel entnommen, daß der Gerichtssachverständige in seinem Gutachten mit keinem Wort die »Schweigezonen« auf den Bändern erwähnt habe, die ja angeblich nur durch das periodische Ausschalten der Apparatur hervorgerufene »leere Stellen« seien. Er fuhr also nach Melleville, wo der Prozeß lief, hockte im Hotel herum und belagerte Swansons Verteidiger, um die Bänder in die Hand zu bekommen, die, nach seiner Auffassung, in sein »Weltraum-Raritäten-Museum« gehörten. Der Anwalt wollte sie ihm, den er für ziemlich unseriös hielt, jedoch nicht aushändigen. Laserowitz, der allenthalben »antikosmische Verschwörungen« witterte, mietete sich einen Privatdetektiv und ließ den Mann beschatten, und auf die Weise erfuhr er, daß sich ein Fremder, der mit dem Morgenzug in die Stadt gekommen war, mit dem Anwalt im Hotel eingeschlossen und von ihm die Bänder erhalten habe, mit denen er nach Massachusetts abgereist sei.
    Dieser Mann war Dr. Rappaport. Laserowitz schickte seinen Detektiv los, der die Fährte des nichtsahnenden Rappaport verfolgen sollte, und als Rappaport in Washington aufkreuzte und mehrfach bei Rush vorsprach, fand er, die Zeit zu handeln sei gekommen. Ein von einer Washingtoner Zeitung nachgedruckter Artikel des »Morning Star«, in dem Laserowitz unter der entsprechenden Schlagzeile berichtete, auf welch gewissenlose Weise der Verwaltungsapparat versuche, eine kostbare Entdeckung zu unterschlagen, genauso wie er vor reichlich zehn Jahren durch die offiziellen Aussagen des Luftfahrtdepartements den sogenannten UFOS, den nicht identifizierten Flugobjekten (also den berüchtigten Untertassen) ein Grab geschaufelt habe, war dann auch eine höchst unangenehme Überraschung für Rush und die künftigen Teilnehmer der »Master’s Voice«-Operation. Jetzt erst fand Rush, der Fall könnte, international gesehen, in ein falsches Licht geraten, wenn jemand auf den Gedanken käme, die VereinigtenStaaten versuchten, eine erfolgte Kontaktaufnahme zu einer Zivilisation im Weltraum vor allen anderen geheimzuhalten. Er nahm sich den Artikel zwar nicht sonderlich zu Herzen, da sein unseriöser Ton sowohl den Verfasser als auch die Meldung selbst bloßstellte. Als der Mann mit den größten praktischen Erfahrungen in Dingen der Publicity, rechnete er also damit, daß, wenn man sich still

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