Die Stimme des Herrn.
anderen Hund. Auch zwischen »Sache« und »Produktionsrezept« ist keine scharfe Grenze gezogen. Die Eizelle ist zugleich »Sache«, materielles Objekt und »Produktionsrezept« für das System, das sich aus ihr entwickeln wird. DieBeziehungen, die zwischen dem Träger der Information und ihr selbst bestehen, können also verschiedenartig und verwickelt sein.
Da man wußte, auf welch schwachen Füßen das Klassifikationsschema stand, aber über etwas Besseres nicht verfügte, versuchte man also, der Reihe nach die einzelnen Varianten zu eliminieren. Noch relativ am leichtesten war es, die »Fernsehhypothese« nachzuprüfen. Sie hatte seinerzeit großen Erfolg gehabt und als die »wirtschaftlichste« gegolten. Ein Fernsehkinetoskop wurde also in den verschiedensten Kombinationen durch das Signal verstärkt. Man erzielte nicht die Spur von Bildern, unter denen sich ein Mensch auch nur irgend etwas vorstellen konnte, obwohl andererseits auch kein »komplettes Chaos« entstand. Vor dem weißen Hintergrund erschienen schwarze Flecke, die größer wurden, sich ausbreiteten, ineinanderliefen und wieder verschwanden, wobei das Ganze den Eindruck machte, als »koche« da etwas. Als man das Signal um das Tausendfache langsamer eingab, erinnerte das Bild an Bakterienkolonien im Stadium der Ausbreitung, der gegenseitigen Absorption und des Zerfalls. Das Auge nahm einen bestimmten Rhythmus und eine bestimmte Regelmäßigkeit im Ablauf des Prozesses wahr, die jedoch nichts besagten.
Man führte auch Kontrollversuche durch, bei denen man die Aufzeichnungen des natürlichen Neutrinorauschens in das Fernsehgerät eingab. Daraufhin entstand ein Geflacker und Geflimmer ohne Kondensationszentren, das dann zu einem einheitlichen Grau verschmolz. Es war auch zu bedenken, ob die Absender vielleicht ein anderes Fernsehsystem hatten, kein optisches wie wir, sondern zum Beispiel eines, das auf dem Geruchssinn oder dem Geruchs- und dem Tastsinn basierte. Doch selbst wenn sie anders gebaut waren als der Mensch, so bestand doch kein Zweifel, daß sie ihn an Wissen überragten, also auch Bescheidwissen mußten, daß die Chance des Empfangs nicht davon abhängen durfte, ob Empfänger und Absender in ihrer Physiologie völlig übereinstimmten.
So wurde also auch die zweite Variante verworfen. Die erste verurteilte das Projekt von vornherein zum Scheitern, weil man, wie ich bereits erwähnte, ohne Lexik und Syntax eine wirklich »fremde« Sprache nicht enträtseln kann. Es blieben die beiden letzten. Man behandelte sie als Einheit, weil – auch das sagte ich bereits – der Unterschied zwischen »Sache« und »Prozeß« relativ ist. Der langen Rede kurzer Sinn: Das Projekt war von den erwähnten Positionen aus gestartet, es hatte gewisse Ergebnisse erzielt, indem es einen kleinen Teil des »Briefs« materialisiert, also gewissermaßen in Bruchstücken erfolgreich übersetzt hatte, doch dann war die Arbeit an einen toten Punkt gelangt.
Meine Aufgabe sollte es nun sein herauszufinden, ob der Ansatz (den »Brief« als »Sache und Prozeß« zu betrachten) richtig war. Ich durfte dabei nicht auf die Ergebnisse zurückgreifen, die man auf die Art erzielt hatte, weil das ein logischer Fehler gewesen wäre – der Fehler des Teufelskreises. Nicht aus Gemeinheit, sondern damit ich das Problem nicht mit einer vorgefaßten Meinung anginge, hatte man mir am Anfang alles, was erreicht worden war, verschwiegen. Es konnte ja – in gewissem Sinne – das Ergebnis eines »Mißverständnisses« sein.
Ich wußte nicht einmal, ob sich die Mathematiker des Projekts schon an der mir gestellten Aufgabe versucht hatten. Ich nahm es an, und wenn ich gewußt hätte, wo sie Schiffbruch erlitten hatten, wären mir vielleicht unnötige Mühen erspart geblieben, doch Dill, Rappaport und Baloyne waren ja der Meinung gewesen, am ungefährlichsten sei es, mir nichts zu sagen.
Kurz und gut, man hatte mich gerufen, damit ich die Ehre des Planeten rette. Ich mußte meine mathematische Muskulatur gehörig anspannen, und ich freute mich darauf, wenngleich mit einigem Herzklopfen. Die Erklärungen, Gespräche, sakramentale Überreichung der Sternenaufzeichnung nahmen einen halben Tag in Anspruch. Sodann geleiteten mich »die großen Vier« ins Hotel, sich gegenseitig belauernd, damit keiner etwas ausplauderte, was ich vorerst noch nicht wissen durfte.
VI
Seit meiner Landung auf dem Dach, bei sämtlichen Zusammenkünften und Gesprächen war ich das Gefühl nicht losgeworden,
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