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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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versuchte er, den Senator mit Beschlag zu belegen. Der entwand sich ihm jedoch geschickt und lud mich zu einem Gespräch ein. Wie mir später aufging, drehte es sich darum, daß ich bei den Eingeweihten in Washington bereits als der »Leader der Opposition« galt und der Senator herausfinden wollte, wie mein »Votum separatum« laute. Worauf ich übrigens während des Mittagessens überhaupt nicht kam. Baloyne, gewiefter auf dem Gebiet von Strategie und Taktik, wollte mir andauernd zur entsprechenden »Einstellung« verhelfen, aber der Senator saß zwischen uns, also machte er mir durch Grimassen Zeichen, die bedeutungsvoll-beredt, diskret und mahnend zugleich seinsollten. Er hatte nämlich versäumt, mich vorher ins Bild zu setzen, was er jetzt nachholen wollte, und als wir vom Tisch aufstanden, setzte er zum Sprung in meine Richtung an, doch McMahon schlang mir freundschaftlich den Arm um die Taille und führte mich in sein Appartement.
    Er bot mir einen sehr guten Martell an, den er mitgebracht haben mußte, denn im Restaurant unseres Hotels hatte ich solchen noch nie gesehen. Er bestellte mir Grüße von gemeinsamen Bekannten, sprach mir witzigerweise sein Bedauern aus, daß er selbst nicht Gebrauch von den Werken machen könne, die mir Ruhm eingetragen hatten, und plötzlich, wie nebenbei, fragte er, ob der Code denn nun entziffert worden sei oder nicht. Jetzt hatte er die Katze aus dem Sack gelassen.
    Unser Gespräch fand unter vier Augen statt, weil das gesamte Gefolge des Senators in der Zwischenzeit durch jenen Teil der Labors geführt wurde, den wir den »Ausstellungsteil« nannten.
    »Ja und nein«, erwiderte ich. »Können Sie Kontakt zu einem zweijährigen Kind anknüpfen? Gewiß können Sie das, wenn Sie sich bewußt an das Kind wenden, aber was begreift es von Ihrer Rede über den Staatshaushaltsplan im Senat?«
    »Nichts«, erwiderte er. »Weshalb sagen Sie dann aber ›ja und nein‹, wenn die Antwort doch ›nein‹ lautet?«
    »Weil wir immerhin etwas wissen. Sie haben unsere ›Exponate‹ gesehen …«
    »Ich habe von Ihrem Beweis gehört. Sie haben bewiesen, daß der ›Brief‹ die Beschreibung eines Objekts ist, nicht wahr? Dieser ›Froschlaich‹, den Sie da haben, stellt demzufolge einen Teil jenes Objekts dar, oder nicht?«
    »Senator«, erwiderte ich, »bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn das, was ich Ihnen jetzt sagen werde, sich nicht sonderlich klar anhört. Es ist nicht meine Schuld. Was einem Laien an unserer Arbeit oder eigentlich an unserembisherigen Mißerfolg am unverständlichsten erscheint, ist der Umstand, daß wir den ›Code‹ gewissermaßen zum Teil entschlüsselt haben und dann steckengeblieben sind, während die Chiffrenspezialisten behaupten, wenn man so eine Chiffre erst einmal teilweise entschlüsselt hat, dann muß alles andere wie geschmiert gehen. Habe ich recht?«
    Er nickte nur. Ich sah, daß er mir aufmerksam zuhörte.
    »Es gibt, ganz allgemein gesehen, zwei uns bekannte Arten von Sprachen. Die gewöhnlichen Sprachen, deren sich die Menschen bedienen, und dann noch Sprachen, die nicht der Mensch geschaffen hat. In so einer Sprache sprechen Organismen zu Organismen: Ich meine den sogenannten genetischen Code. Dieser Code ist keine Abart einer natürlichen Sprache, denn er enthält nicht nur die Information über den Bau eines Organismus, sondern er vermag diese Information auch selbst in einen solchen Organismus umzuwandeln. Dieser Code steht also außerhalb der Kultur. Um die natürliche Sprache der Menschen zu verstehen, muß man sich unbedingt wenigstens ein bißchen mit ihrer Kultur vertraut machen. Um hingegen den genetischen Code zu erkennen, ist die Kenntnis irgendwelcher Merkmale der Kultur nicht erforderlich. Zu diesem Zweck genügt ein entsprechendes Wissen aus dem Bereich der Physik, der Chemie und so weiter.«
    »Daß es euch immerhin teilweise gelungen ist, zeugt doch aber davon, daß der ›Brief‹ in einer Sprache abgefaßt sein muß, die der genetischen ähnelt?«
    »Wenn es sich so verhielte, wäre es nur halb so wild. Die Wirklichkeit sieht schlimmer aus, denn sie ist, wie gewöhnlich, komplizierter. Der Unterschied zwischen einer ›Kultursprache‹ und einer ›kulturfreien Sprache‹ ist nichts Absolutes, leider. Der Glaube an den absoluten Charakter dieses Unterschieds gehört zu einer ganzen Reihe von Illusionen, von denen wir uns nur mit größter Überwindung trennen. Daß es mir gelungen ist, diesen mathematischenBeweis zu

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