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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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das unglückselige Schreiben zurückzuziehen, aber das hätte erst recht verdächtig ausgesehen! Na, und nun stell dir mal vor, wie die mir jetzt auf die Finger gucken werden!«
    Er erwähnte unseren »Freund« Wilhelm Eeney. Auch ich zweifelte nicht daran, daß er schon die entsprechenden Instruktionen bekommen haben mußte. Ich fragte Donald, ob er nicht meine, daß man die Versuche abbrechen, die Apparatur ganz einfach demontieren oder auch vernichten solle. Leider wußte ich, was er mir antworten würde.
    »Einmal gemachte Entdeckungen lassen sich nicht verbergen. Außerdem ist da noch McHill. Er hört auf mich, solange er mit mir in der Sache drinsteckt und wir zusammenarbeiten, aber ich weiß nicht, was er tut, wenn ich mich zu dem entschlösse, was du mir da rätst. Und selbst wenn ich mich auch dann noch auf ihn verlassen könnte, bringt das nichts, außer einer gewissen Verzögerung. Die Biophysiker haben bereits einen Arbeitsplan für das nächste Jahr aufgestellt. Ich habe die Rohfassung gesehen. Sie wollen so etwas Ähnliches machen wie ich. Sie haben Kammern, sie haben gute Nukleoniker, wie Pickering, sie haben einen Inversor, sie wollen die Effekte der Mikrodetonation in den monomolekularen Schichten des ›Froschlaichs‹ analysieren, im zweiten Quartal. Die Apparatur ist automatisch. Sie werden ein paar tausend Aufnahmen täglich machen, und der Effekt wird ihnen von selbst vor die Optik kommen.«
    »Im nächsten Jahr«, sagte ich.
    »Im nächsten Jahr«, wiederholte er.
    Wir wußten nicht recht, was wir dem noch hinzufügen sollten. Schweigend kehrten wir um, durch die Dünen, die nur noch schwach beleuchtet waren vom Saum der roten,hinter den Horizont weggleitenden Sonne. Ich erinnere mich, daß ich im Gehen die Umgebung in solcher Deutlichkeit wahrnahm und daß sie mir so schön vorkam, als sollte ich jeden Moment sterben. Bevor wir uns trennten, wollte ich Donald noch fragen, warum er eigentlich mich zum Vertrauten gewählt habe, aber ich tat es nicht. Es gab wirklich nichts mehr zu sagen.

XIII
    Das Problem, aus der Hülle der Fachtermini herausgeschält, war einfach. Wenn Prothero sich nicht täuschte und die folgenden Versuche die früheren bestätigten, erwies es sich als möglich, eine Kernexplosion so auszulösen, daß sie, mit Lichtgeschwindigkeit verlagert, nicht dort ihre vernichtende Energie freisetzte, wo sie gezündet wurde, sondern an einem beliebig gewählten Punkt des Erdballs. Bei unserem nächsten Zusammentreffen zeigte mir Donald die Ideenskizze für die Apparatur und die ersten Berechnungen, aus denen hervorging, daß, falls der Effekt mit zunehmender Wirkung und Entfernung linear blieb, beidem keine Grenzen gesetzt sein würden. Man konnte sogar den Mond zertrümmern, indem man auf der Erde eine ausreichende Menge von spaltbarem Material anhäufte und die Reaktion auf den Mond fokussierte.
    Es waren grauenhafte Tage, aber noch schlimmer waren vielleicht die Nächte, in denen ich die ganze Sache im Kopf drehte und wendete und von allen Seiten betrachtete. Prothero brauchte noch einige Zeit, bis die Apparatur montiert war. McHill hatte das übernommen, Donald und ich aber widmeten uns der theoretischen Bearbeitung der Daten, wobei es sich natürlich nur um eine rein phänomenologische Erfassung handeln konnte. Wir hatten uns nicht einmal abgesprochen, das gemeinsam zu tun, unsere Zusammenarbeit hatte sich irgendwie von selbst ergeben. Ich mußte zum erstenmal im Leben bei meinen Berechnungen ein gewisses »Geheimhaltungsminimum« einhalten, also sämtliche Notizen vernichten, das Gedächtnis des Computers löschen und durfte Donald nicht anrufen, nicht einmal wegen belangloser Dinge, weil wir womöglich unerwünschtes Interesse erregten, wenn unsere Kontakte plötzlich zunahmen. Ich fürchtete ein bißchen den Scharfblick vonBaloyne und von Rappaport, doch wir sahen uns jetzt seltener. Yvor hatte alle Hände voll zu tun, weil der Besuch des einflußreichen Senators McMahon, eines Mannes von großen Verdiensten und eines Freundes von Rush, näherrückte, Rappaport aber hatten die Informationstheoretiker in dieser Zeit mit Beschlag belegt.
    Und da ich als Mitglied des Rats, als einer der »großen Fünf«, aber »ohne Portefeuille«, nicht einmal pro forma irgendeiner Gruppe angehörte und über meine Zeit frei verfügen konnte, fielen meine langen nächtlichen Sitzungen vor dem Hauptcomputer nicht auf, zumal ich es auch schon früher, freilich aus anderen Beweggründen, so

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