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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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gehalten hatte. Es stellte sich heraus, daß McMahon kommen würde, bevor Donald mit der Montage der Apparatur fertig wäre. Da er keine spezifizierten Bestellungen bei der Projektverwaltung hatte aufgeben wollen, hatte er sich die Geräte einfach bei anderen Gruppen zusammengeborgt, was er auch schon früher manchmal so gehandhabt hatte. Er hatte sich jedoch für die übrigen seiner Leute eine andere Aufgabe ausdenken müssen, und zwar eine, die keinen Zweifel an ihrem Sinn aufkommen ließ.
    Warum uns eigentlich so viel daran lag, die Versuche zu beschleunigen, kann ich schwer sagen. Über irgendwelche weiteren Konsequenzen eines positiven (oder eigentlich eines negativen) Ergebnisses der Experimente im großen Maßstab sprachen wir beinahe überhaupt nicht, doch ich gestehe, daß ich in meinen Phantasien vor dem Einschlafen, auf der Suche nach einem Ausweg, sogar die Möglichkeit in Betracht zog, mich zum Diktator des Planeten zu ernennen oder diese Macht im Duumvirat mit Donald zu ergreifen, zum Wohle der Allgemeinheit, versteht sich. Es ist ja zur Genüge bekannt, daß in der Geschichte nahezu alle das Wohl der Allgemeinheit angestrebt und ebenso, in was sich derlei Bestrebungen verkehrt haben. Der Mensch, der an Donalds Apparatur stand, konnte in der Tat sämtlichen Armeen und Ländern mit der Annihilation drohen. Diese Vorstellung sah ich jedoch nicht für ernst an, nicht weil es mir an Todesmut gefehlt hätte – nach meiner Einschätzung gab es nichts mehr zu verlieren –, aber ich war völlig sicher, daß solch ein Versuch mit einem Kataklysmus enden mußte. Ein solcher Schritt konnte der Welt keinen Frieden bringen, und ich beichte diese meine Halluzinationen nur, um zu zeigen, in welcher seelischen Verfassung ich mich befand.
    Diese und die nachfolgenden Ereignisse sind unzählige Male in verzerrten Versionen beschrieben worden. Die Wissenschaftler, die unsere Skrupel verstanden oder die uns noch persönlich gewogen waren, wie, sagen wir, Baloyne, haben die Sache so dargestellt, als wären wir nach den Richtlinien der dem Projekt selbst eigenen Methodik vorgegangen und hätten nicht im mindesten daran gedacht, die Resultate geheimzuhalten. Die Boulevardpresse hingegen stempelte, dank dem Material, mit dem »unser Freund« Wilhelm Eeney sie belieferte, Donald und mich zu Verrätern und Agenten, wie geschehen in der bekannten Reportagenserie von Jack Sleyer »The MAVO Conspiracy«. Daß uns jenes Gezeter nicht als Urheber einer schamlosen Machenschaft vor den strafenden Areopag der entsprechenden Kongreßkommission brachte, hatten wir den wohlmeinenden offiziellen Darstellungen, Rushs Unterstützung hinter den Kulissen und schließlich und endlich dem Umstand zu verdanken, daß die Geschichte, als sie der Öffentlichkeit bekannt wurde, längst veraltet war.
    Allerdings blieben mir unangenehme Gespräche mit einzelnen Politikern nicht erspart, denen ich immer wieder das gleiche sagte: »Ich halte die Antagonismen unserer Zeit samt und sonders für eine vorübergehende Erscheinung, in dem Sinne, in dem auch die Staaten Alexanders des Großen oder Napoleons vorübergehend waren. Jede Weltkrise kann man so lange mit den Begriffen der Strategie erörtern,solange ein solches Verfahren nicht unsere potentielle Vernichtung als biologische Art zur Folge hat. Sobald das Interesse der Art zu einem Glied in der Gleichung wird, steht die Entscheidung notwendigerweise schon fest, und sich auf den Geist des amerikanischen Patriotismus, der Demokratie oder auf sonst irgendwas zu berufen, hat nicht den geringsten Sinn. Wer in dieser Sache auf einem anderen Standpunkt steht, ist für mich nichts anderes als ein virtueller Mörder der Menschheit. Die Krise innerhalb des Projekts ist vorüber, doch es werden unweigerlich andere kommen. Die Entwicklung der Technologie stört das Gleichgewicht unserer Welt, und es wird uns nichts retten, wenn wir aus der Einsicht in diesen Sachverhalt nicht die praktischen Schlußfolgerungen ziehen.«
    Der angekündigte Senator erschien endlich mit seinem Gefolge und wurde mit den gebührenden Ehren empfangen, wobei er sich als taktvoller Mann entpuppte, denn er verwickelte uns nicht in Plaudereien, die als »Palaver« des weißen Mannes mit einem Wilden bekannt sind. Angesichts des neuen Haushaltsjahres lag Baloyne sehr viel daran, McMahon den Arbeiten und Erfolgen des Projekts gegenüber möglichst günstig zu stimmen, und da er besonders seinem eigenen diplomatischen Talent vertraute,

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