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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ich hielte es sogar für real möglich, daß die Absender eine Milliarde Jahre alt seien. Anders lasse sich die Sendung eines »biophilen« Signals rational nicht rechtfertigen, weil es innerhalb von Jahrtausenden nichts auszurichten vermöchte.
    »Sie müssen Regierungen mit einer ziemlich langen Amtsperiode haben«, sagte McMahon. Er wollte noch wissen, ob ich die Weiterarbeit für sinnvoll halte, wenn die Dinge so lägen.
    »Wenn ein junger Straßenräuber Sie überfällt«, erwiderte ich, »und Ihnen das Scheckheft und sechshundert Dollar abknöpft, dann wird er, obwohl er mit dem Scheckheft nichts anfangen und die Millionen auf Ihrem Konto nicht anrühren kann, durchaus nicht der Meinung sein, er sei schlecht gefahren, weil für ihn sechshundert Dollar eine Menge Geld sind.«
    »Dieser junge Straßenräuber sind wir?«
    »Ja. Von den Brosamen vom Tische einer hohen Zivilisation können wir uns jahrhundertelang ernähren … Wenn wir vernünftig bleiben …«
    Beinahe hätte ich noch etwas hinzugefügt, doch ich biß mir auf die Zunge.
    Er wollte meine persönliche Ansicht über den »Brief« und über die Absender hören.
    »Es sind keine Rationalisten, wenigstens nicht das, was wir darunter verstehen«, entgegnete ich. »Wissen Sie, Senator, wie hoch IHRE ›Selbstkosten‹ sind? Einmal angenommen, sie verfügen über eine Energie von 10 49 erg. Die Leistung eines einzigen Sterns, und die braucht man für die Sendung des Signals, ist für sie das, was für uns in den Staaten die Leistung eines großen Elektrizitätswerks ist. Würde unsere Regierung einwilligen, Hunderte, Tausende von Jahren die Leistung eines Komplexes wie Builder Dam zur Verfügung zu stellen, nur zu dem Zweck, um die Entstehung von Leben auf den Planeten anderer Sterne zu ermöglichen, falls das, bei einem derart verschwindend geringen Aufwand an Energie überhaupt möglich wäre?«
    »Wir sind zu arm …«
    »Aber prozentual wäre der Anteil der für diese altruistische Tat verwendeten Energie in beiden Fällen der gleiche.«
    »Zehn Cent von einem Dollar ist finanziell nicht das gleiche wie eine Million Dollar von zehn Millionen.«
    »Aber wir haben doch diese Millionen! Der physikalische Raum, der uns von dieser Zivilisation trennt, ist kleiner als die moralische Entfernung, weil wir auf Erden hungernde Menschenmassen haben, sie aber kümmern sich darum, daß auf den Planeten des Zentaurus, des Schwan und der Kassiopeia Leben entsteht. Ich weiß nicht, was der ›Brief‹ enthält, aber in diesem Lichte betrachtet, kann er nichts enthalten, was uns schaden könnte. Das eine widerspräche zu sehr dem anderen. Gewiß, ersticken kann man auch an Brot. Ich sehe das so: Wenn wir, mit unseren Ordnungen, mit unserer Geschichte, den kosmischen Normalfall darstellen, haben wir von seiten des ›Briefes‹ nichts zu befürchten. Denn danach haben Sie ja gefragt, nicht wahr? Weil ihnen diese ›psychozoische Konstante‹ des Alls bestens bekannt sein muß. Wenn wir eine Aberration, eine Minderheit sind, werden sie auch das in Betracht ziehen, vielmehr: gezogen haben. Aber falls wir eine außergewöhnliche Ausnahme, eine Abnormität, ein Monstrum sind, wie es in einer von tausend Galaxien innerhalb von zehn Milliarden Jahren nur einmal vorkommt, dann können sie eine solche Möglichkeit in ihren Berechnungen und Absichten unberücksichtigt gelassen haben. Also, wie auch immer, sie trifft keine Schuld.«
    »Wie eine Kassandra haben Sie das gesagt«, sprach McMahon, und ich sah ihm an, daß er nicht zum Scherzen aufgelegt war. Ich im übrigen auch nicht. Wir unterhielten uns noch eine Weile, doch ich sagte ihm nichts, was den kleinsten Verdacht aufkommen lassen konnte, daß das Projekt in eine neue Phase eingetreten war. Und dennoch fühlte ich mich, als wir uns verabschiedeten, nicht recht wohl in meiner Haut, weil ich den Eindruck hatte, trotzdem zu viel geredet zu haben, besonders gegen Ende. Die Kassandra mußte ich mehr durch meine Mimik, durch meinen Gesichtsausdruck abgegeben haben, denn ich hatte vor allem auf meine Worte geachtet.
    Der Senator war noch da, als ich meine Berechnungen wiederaufnahm. Baloyne sah ich erst, als er abgefahren war. Er war deprimiert und gereizt. »McMahon?« sagte er. »Der war besorgt, als er herkam, aber abgefahren ist er zufrieden. Weißt du, weshalb? Du weißt es nicht? Die Verwaltung befürchtet, wir könnten zu erfolgreich sein. Sie fürchtet eine Entdeckung, die militärische Folgen haben könnte.«
    Das

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