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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wobei das Hauptquartier vermutlich unter das Deck eines riesenhaften Atomunterseebootes oder eines eigens für diese Zwecke gebauten Bathyskaphen verlegt werden würde, das, an den Meeresgrund geschmiegt, auf Wacht läge.
    Nun würde auch die äußere Schale der Demokratie, deren Fleisch die Globalstrategie der sechziger Jahre ja ohnehin schon restlos aufgefressen hatte, endgültig auseinanderplatzen. Das träte auch im Verhältnis zu den Wissenschaftlern zutage. Es würde an Lust, Platz und Zeit fehlen, sie unter Wahrung eines gewissen Scheins als begabte, aber launische Kinder zu behandeln, denen man Frustrationen lieber ersparen sollte.
    Als wir, getreu der Pascalschen Maxime vom denkenden Schilfrohr, das sich danach sehnt, die Mechanismen seiner eigenen Vernichtung zu erkennen, in groben Zügen das eigene und das fremde Schicksal vorausgesagt hatten, erzählte mir Rappaport von seinen Bemühungen im Frühling dieses Jahres. Noch bevor ich zum Projekt gekommen war, hatte er General Easterland – er war damals Chef des »MAVO« – einen Plan zur Verständigung mit den Russen unterbreitet. Er hatte vorgeschlagen, eine Mannschaft zu bilden, die nach Stärke und fachlicher Zusammensetzung einer Mannschaft entsprechen solle, die die Russen zusammenstellen würden, um gemeinsam an der Übersetzung des »Briefs« zu arbeiten. Easterland hatte ihm damals milde zu verstehen gegeben, wie naiv das wäre. Die Russen würden eine fingierte Mannschaft aufstellen und unterdessen allein am »Brief« weiterarbeiten.
    Wir sahen uns an und brachen in Gelächter aus, weil uns der gleiche Gedanke gekommen war. Easterland hatte ihm einfach erzählt, was wir erst in den letzten Tagen erfahren hatten. Das Pentagon hatte damals schon allein dieses »Doppelprinzip« festgelegt gehabt. Wir selbst bildeten ja die »fingierte« Mannschaft, und zwar ohne daß wir esdurchschauten, während die Generäle ein zweites Team zur Verfügung hatten, dem sie offenbar mehr vertrauten.
    Einen Moment lang verweilten wir bei der Mentalität der Strategen. Sie hatten Leute, die hartnäckig behaupteten, das Wichtigste sei die biologische Erhaltung der Art, niemals für voll genommen. Das berüchtigte »ceterum censeo speciem praeservandam esse« war zu einem Slogan wie alle anderen geworden, das heißt, es waren Worte, die man aussprechen durfte, aber sie stellten keinen Wert dar, der in die strategischen Gleichungen Eingang finden mußte. Wir hatten inzwischen genug Kognak intus, um uns nun belustigt auszumalen, wie die Generale, bei lebendigem Leibe bratend, letzte Befehle an taube Mikrofone erteilten, weil weder der Meeresboden noch irgendein anderer Winkel des Planeten mehr ein Asyl war. Der einzige sichere Ort, den wir für das Pentagon und seine Leute ausmachten, lag unter dem Grunde der Moskwa, doch es war mehr als wahrscheinlich, daß es selbst unseren Habichten nicht gelingen würde, bis dorthin vorzudringen.
    Nach Mitternacht ließen wir endlich die Albernheiten, und die Unterhaltung wurde interessant. Wir waren auf das »Geheimnis der Gattung« gekommen. Ich erwähne das, weil mir jener requiemhafte Dialog, den zwei Vertreter besagter Gattung, berauscht von Koffein und Alkohol und des Endes bereits gewiß, dem Vernunftbegabten Menschen widmeten, als bezeichnend erscheint.
    Meiner Ansicht unterlag es keinem Zweifel, daß die Absender genau über den Stand der Dinge in der gesamten Galaxis Bescheid wußten. Wir waren gescheitert, weil sie die spezifisch irdische Situation nicht berücksichtigt hatten, und das hatten sie nicht getan, weil sie innerhalb der ganzen Galaxis eine Art Ausnahmesituation darstellte.
    »Das sind manichäische Ideechen, ein Dollar das Dutzend«, erwiderte mir Rappaport.
    Aber ich fand durchaus nicht, jene aus dem Rahmenfallende menschliche »Bosheit« müsse in der Konsequenz die Apokalypse nach sich ziehen. Es ist ganz einfach so: Jedes Psychozoikum auf dem Planeten legt einen Weg von der Zersplitterung zur globalen Integration zurück. Aus Gruppen, Sippen, Stämmen entstehen Völker, Kleinstaaten, Staaten, Großmächte, und schließlich erfolgt eine soziale Unifizierung der Gattung. Ein derartiger Prozeß führt fast nie dazu, daß kurz vor der letztlichen Vereinigung zwei an Kräften ebenbürtige Gegenspieler auftreten, sondern es ist eher so, daß eine Mehrheit in Opposition zu einer schwachen Minderheit erscheint. Ein solches Zusammentreffen ist bedeutend wahrscheinlicher, schon aus Gründen einer rein

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