Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Prothero und ich verlangten, man möge uns als nicht mehr zum Projekt gehörig betrachten, Rappaport tat, allerdings sehr ungern, wie es schien, aus Loyalität das gleiche, und einzig Dill enthielt sich aller demonstrativen Schritte, ja er riet uns obendrein, mit entsprechenden Transparenten durch die Siedlung zu marschieren und Sprechchöre zu brüllen, denn er hielt unser Tun für unseriös. Ich kann nicht bestreiten, daß er in gewissem Sinne recht hatte.
    Wir vier Rebellen wurden sofort nach Washington abgezogen. Man sprach mit uns unter vier Augen, und in der Gruppe, neben Rush, McMahon und unserem General, den ich erst damals persönlich kennenlernte, fanden sich auch die Berater des Präsidenten für Wissenschaftsfragen ein, und es stellte sich heraus, daß unsere weitere Anwesenheit beim Projekt schier unerläßlich sei. Baloyne, der Diplomat, der Politiker, sagte auf einer dieser Beratungen, da man ja Eeney volles Vertrauen und ihm nur ein Viertel davon geschenkt habe, solle doch jetzt Eeney die besseren Leute anheuern und das Projekt selber leiten. Man behandelte uns, da es von derlei Aussprüchen nur so hagelte, wie verwöhnte, verdorbene, aber geliebte Kinder. Ich weiß nicht, wie es um die anderen stand, aber ich für meinen Teil hatte die Nase wirklich voll.
    Eines Abends kam Baloyne in mein Hotelzimmer. Er hatte an diesem Tag mit Rush ein Gespräch unter vier Augen gehabt, und nun entdeckte er mir die Gründe der unablässigen Überredungsversuche. Die Berater waren zu der Überzeugung gelangt, der »Trex« sei nur ein Fehlschlag am Anfang einer Serie, ein ausgesprochen deutlicher Fingerzeig auf die Fruchtbarkeit künftiger Versuche, die nunmehr nachgerade zu unserer Raison d’être, unserer Staatsraison, zu einer Frage von Leben und Tod würden. Obwohl ich diesen Gedankengang für unsinnig hielt, kam ich, nachdem ich mich besonnen hatte, doch zu dem Schluß, daß wir eigentlich zurückgehen könnten, falls allerdings die Verwaltung unsere Bedingungen akzeptierte, die ich auch sogleich mit Baloyne festzulegen begann. Ich war mir nämlich darüber im klaren, daß ich, wenn die Arbeiten ohne mich fortgeführt würden, keine Ruhe finden und nicht zu meiner reinen, das heißt unbefleckten Mathematik zurückkehren konnte. Denn der Glaube an die Sicherheitssperre, mit der die Absender den »Sternencode« versehen hatten, war eben nur ein Glaube und kein ganz sicheres Wissen. Ich sagte es Baloyne übrigens kürzer: Mag sich das Pascalsche Wort vom dünnen Schilfrohr erfüllen. Wenn wir nichts dagegen tun können, dann werden wir wenigstens wissen.
    Nachdem wir uns zu viert beraten hatten, kamen wir auch dahinter, warum das Projekt nicht an die Army abgegeben worden war. Sie hatte sich – unter dem Tisch – eine besondere Rasse von Wissenschaftlern herangezogen,Leute, die die grundlegenden Aufgaben ausführten, fähig zu begrenzter Selbständigkeit. Wenn sie wußten, von wo aus und in welche Richtung vorgegangen werden sollte, dann taten sie das ausgezeichnet. Aber kosmische Zivilisationen, die Motive ihres Handelns, die lebenspendenden Wirkungen des Signals, die Verbindung zwischen ihnen und seinem Inhalt – all das war für sie schwarze Magie. »Für uns zwar auch«, bemerkte Rappaport wie immer bissig. Schließlich willigten wir ein weiterzuarbeiten, man schenkte uns Gehör, Wilhelm Eeney, der Doktor der Rechte, verschwand aus dem Projekt – das war eine unserer Bedingungen gewesen –, er wurde im übrigen sofort durch eine andere Zivilperson, Mr. Hughes Phanton, ersetzt. Auf die Art kamen wir vom Regen in die Traufe. Das Budget wurde erhöht, die Leute vom Gegenprojekt (das wir den ein wenig verstörten Vollmachtgebern auch gehörig unter die Nase rieben) wurden unseren Gruppen angegliedert, es selbst hörte angeblich auf zu bestehen, wenngleich es ja nach der offiziellen Version eigentlich nie bestanden hatte. Nachdem wir also genügend gewettert, beratschlagt, unsere Bedingungen gestellt hatten, die gewissenhaft eingehalten werden sollten, kehrten wir »nach Hause« zurück – in die Wüste, und so begann, Neujahr war schon vorbei, das nächste und letzte Kapitel der »Stimme des Herrn«.

XVI
    Es war also alles wieder beim alten, nur daß auf den Ratssitzungen ein neues Gesicht auftauchte: Hughes Phanton, der »unsichtbare Mann« genannt, weil er eine schier mikroskopische Existenz zu führen schien, nicht, weil er so klein war, sondern weil er sich so sehr im Hintergrund hielt. Winter – das

Weitere Kostenlose Bücher