Die Stimme des Herrn.
bedeutete häufige Stürme, aber Sandstürme, und außerordentlich seltene Regenfälle. Mühelos fanden wir uns wieder in unsere frühere Arbeitsweise oder eigentlich schon Daseinsweise, wieder zog ich zu Plauderstündchen zu Rappaport, wieder traf ich manchmal Dill bei ihm, ich hatte fast den Eindruck, als sei das Projekt das Leben selber und das eine ginge mit dem anderen zu Ende.
Die einzige Neuerung waren die allwöchentlich stattfindenden, ganz und gar internen Arbeitskonferenzen, auf denen der Reihe nach über die verschiedensten Themen gesprochen wurde – zum Beispiel über die Perspektiven der Autoevolution, das heißt der gelenkten Evolution vernunftbegabter Wesen.
Was versprach man sich davon? Angeblich, der Anatomie, der Physiologie und somit auch der Zivilisation der Absender auf die Spur zu kommen. Doch in einer Gesellschaft, die eine Entwicklungsphase ähnlich der unseren erreicht, treten gegenläufige Langzeittrends auf, deren ferne Folgen sich nicht vorherbestimmen lassen. Auf der einen Seite üben die bereits vorhandenen Technologien einen verschiedenartigen Druck auf die bestehende Kultur aus und veranlassen die Menschen dazu, sich adaptiv den Erfordernissen der einmal in Gang gesetzten Instrumentalismen unterzuordnen. Auf die Art kommt es zu gewissen Anzeichen eines intellektuellen Wettlaufs zwischen Mensch und Maschine und darüber hinaus zu verschiedenen Formen der Symbiose beider, die instrumentale Psychologie und die Physioanatomie aber ermitteln die »schwachen Kettenglieder«, die schlechten Parameter des menschlichen Organismus, von wo der Weg dann schon zur Planung entsprechender »Verbesserungen« führt. Aus dieser Richtung kommt auch der Gedanke, »Kyborgs« in Gestalt von teilweise mit technischen Prothesen versehenen Menschen herzustellen, die eigens für Arbeiten im Weltraum und die Erkundung der Planeten unter Bedingungen vorgesehen sind, die extrem von unseren irdischen abweichen; der Gedanke, ein menschliches Hirn unmittelbar an den Speicher eines Computergedächtnisses anzuschließen, Apparaturen zu bauen, mit denen eine bisher noch unbekannte Stufe engster Verschmelzung zwischen Mensch und Gerät, auf mechanischer oder intellektueller Ebene, erreicht wird.
Dieses ganze Bündel von technischen Pressionen birgt die Gefahr einer potentiellen Aufsplitterung der bisher homogenen biologischen Art in sich. Nicht nur die einzigartige allgemeinmenschliche Kultur, sondern sogar die einzigartige, universelle körperliche Gestalt des Menschen könnte unter dem Einfluß solcher Veränderungen zum Relikt einer toten Vergangenheit werden. Der Mensch würde die eigene Gesellschaft effektiv in die psychozoische Variante eines Ameisenhaufens verwandeln.
Auf der anderen Seite kann die Sphäre der instrumentalen Techniken den Einflüssen der Kultur, nämlich denen der Sitten, unterworfen werden. Es könnte beispielsweise zu einer biotechnologischen Verlängerung modegestalterischer Einflüsse kommen. Die Techniken der Mode machen vorderhand noch an der Grenze der menschlichen Haut halt. Sie tun zwar so, als reiche ihr Einfluß weiter, aber sie können das nur, weil zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche physische Varianten des Menschen als besonders wertvolle Modelle lanciert werden. Man braucht hier nur an den Unterschied zwischen dem Schönheitsideal einesRubens und der Frau von heute zu erinnern. Einem uneingeweihten Beobachter irdischen Geschehens könnte es scheinen, als ob die Frauen, die sichtbarer den Geboten der Mode unterworfen sind, nach dem Diktat der jeweils wechselnden Saisons einmal breitere Schultern, dann wieder breitere Hüften bekämen, als ob ihnen einmal große Brüste wüchsen und andermal kleinere, ihre Beine bald voller, bald dünner und länger würden und ähnliches mehr. Doch solch eine »Zunahme« und solch ein »Schwund« der körperlichen Substanz sind nur ein Trugbild, das dadurch entsteht, daß aus der Mannigfaltigkeit einer ganzen Population nur solche körperlichen Typen ausgewählt werden, die die Billigung des Tages gefunden haben. Genau dieser Zustand könnte einer biotechnologischen Korrektur unterzogen werden. Die genetische Steuerung würde dann die gattungsmäßige Mannigfaltigkeit in eine bestimmte ausgewählte Richtung umleiten.
Selbstverständlich erscheint eine genetische Auslese nach rein anatomischen Merkmalen als läppisch hinsichtlich der Kraft kulturschaffender Veränderungen, aber gleichzeitig als wünschenswert aus ästhetischen Gründen
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