Die Stimme des Nichts
vorzugehen hatte.
Und höchstwahrscheinlich das letzte Mal, versicherte er sich.
10
Es kam nicht oft vor, aber wenn, war Vendra stets dankbar dafür. Die meisten, die sie ausspionieren sollte, hatten normale körperliche Proportionen, selbst wenn ihre individuellen sozialen und moralischen Neigungen häufig unterschiedlich waren. Dieser junge Mann war auffällig groß und hatte rote Haare und ein exotisches Schoßtier, das er auf der Schulter trug. Sie konnte ihm mühelos folgen. Und außerdem hatte ihre professionelle Gleichgültigkeit, die sie an den Tag legte, um nahtlos mit Passanten und Umgebung zu verschmelzen, auch die ungeahnte Wirkung, dass sie von Flinx’ einzigartigem Talent nicht wahrgenommen wurde.
Und sie war geduldig. Das unprätentiöse Hotel, in dem er abgestiegen war, diente ihr als Ausgangspunkt für ihre Arbeit. Nachdem sie den Rezeptionisten abwechselnd umschmeichelt und geneckt hatte, gestattete er ihr schließlich, die Gästedateien einzusehen. Die meisten waren zugangsgeschützt. Das hielt sie ungefähr drei Minuten lang auf. Leider war die verfügbare Datei über ihr Opfer kurz und enthielt keine nützlichen Informationen. Er hatte sich lediglich registrieren lassen. Um ihren Klienten zufriedenzustellen, brauchte sie wesentlich mehr.
Ihre Geduld wurde eines Morgens belohnt, als Flinx unerwartet die gut bewachte Zweigstelle einer Juwelierkette betrat. Sie folgte ihm nach drinnen und winkte den eifrigen Angestellten weg, der ihr Bedienung anbot. Während sie vorgab, eine Vitrine mit Ringen zu betrachten, ließ sie ihre Aufmerksamkeit zu ihrer Beute schweifen. Betreut von einem anderen Angestellten begutachtete er Armbänder und Halsketten. Ihr Klient würde erleichtert sein zu hören, dass der gutaussehende junge Mann nicht nach Ringen suchte.
Kaufe etwas, dachte sie eindringlich. Kaufe irgendwas, aber vorzugsweise etwas Teures. Je teurer das Stück, desto sorgfältiger würde das Sicherheitssystem des Geschäfts die Herkunft des Käufers überprüfen. Je mehr Informationen es zusammentrüge, umso mehr gab es für sie zu kopieren.
Sie erstarrte. Plötzlich sah er sie an. Bevor sie sich zurückziehen oder in geeigneter Weise reagieren konnte, schritt er auf sie zu. Je näher er kam, desto leuchtender erschien ihr der bunt geflügelte Reptiloid auf seiner Schulter.
»Verzeihen Sie, Miss.« Er hatte eine angenehme Stimme, fand sie, freundlich, jungenhaft charmant, eine Stimme, deren Besitzer man unwillkürlich behilflich sein wollte. Sie rang sich ein Lächeln ab. »Wären Sie so freundlich, mir –« Er stockte und runzelte unsicher die Stirn. »Sie wirken verärgert.«
»So?« Sie lächelte weiter und blieb entspannt, nur ihre Schweißabsonderung erhöhte sich ein wenig. Woher wusste er, dass sie verärgert war? Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. »Ich schätze, das liegt an den teuren Juwelen, die ich immer so aufregend finde.«
Er machte ein zweifelndes Gesicht. Dann schob er seinen ersten Eindruck achselzuckend beiseite und hielt ihr etwas zur Betrachtung hin. »Ich möchte ein Geschenk für eine Freundin kaufen. Was halten Sie von diesem?« Die facettierten Edelsteine funkelten sie an. »Ich möchte etwas zum Ausdruck bringen, aber nicht überrumpeln. Ich fürchte, dieses Stück könnte zu protzig sein.«
Sie war so erleichtert, dass sie fast laut losgelacht hätte. Er wollte nicht mehr als die Meinung einer anderen Frau hören.
Sie tat, als würde sie die Halskette nachdenklich mustern und fragte mit äußerstem Ernst: »Welche Haarfarbe hat sie? Welche Augenfarbe?« Er sagte es ihr, und sie nickte. »Sie braucht mehr Grün – Smaragde, Tsavorite, Celetine. Kosmische Peridote sind hübsch und nicht zu fälschen.« Sie gab ihm das Schmuckstück zurück. »Ihr Mädchen hat Glück.«
Fast hätte sie schon wieder laut gelacht. Dieser große, schlaksige, irgendwie einnehmende junge Mann wurde glatt ein bisschen rot. »Sie ist kein Mädchen, und ich bin nicht einmal sicher, ob sie so viel Glück hat. Danke für Ihre Anregungen.« Er ging zu dem Verkäufer zurück und nahm das Gespräch wieder auf. Das Tier auf seiner Schulter hatte nicht einmal den Kopf gehoben.
Erleichtert wandte sie sich wieder der Vitrine mit den Ringen zu. Erwarte das Schlimmste, dann klopft es an deine Tür, dachte sie, hoffe das Beste, und du wirst belohnt. Da sie ihre Selbstbeherrschung die ganze Zeit aufrechterhalten hatte, war sie überzeugt, dass er keinen Verdacht geschöpft hatte. Warum sollte er?
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