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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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würde nie wieder kommen.
    Er schwebte hinter ihnen her, klemmte sich den Aktenkoffer unter den Arm und öffnete das Schnappschloß. Ein waches Gefühl kribbelte in seinem Rumpf und seinen Gliedmaßen. Seine vermehrten neuralen Verbindungen schienen sich zu verästeln und sich aus seinem Körper herauszustrecken, um die Menge, die beiden Manager und die metallene Straße zu berühren. Er hatte sich nie bewußt ein Ziel gesetzt, hatte sich vielmehr mit einer Art Instinkt bewegt, einem halbwegs sicheren Gespür für das, was der Alpha erledigt haben wollte, wie ein Zen-Pfeil, der sein Ziel erst am Ende seines Fluges sah. Jetzt mußte eine bewußte Entscheidung getroffen werden, und er war nur mäßig überrascht, als er feststellte, daß er sie schon vor langer Zeit getroffen hatte und daß der Anblick der beiden nebeneinander herlaufenden Männer ihn nur in seinem Entschluß bestärkt hatte. Er – der Pfeil – sah jetzt das Ziel seines Fluges haarscharf vor sich. Bereitschaft erfüllte ihn wie Feuer.
    Ein paar Tage zuvor hatte er in dem Tunnel gelegen, Kraft gesammelt, sich in eine Feder verwandelt, deren Spannung sich in der Klinge bündelte, und war schließlich selbst die Klinge geworden, die sich bewegte, ein jähes Vorschnellen und ein Licht. Jetzt fühlte er, wie er auf andere Weise und mit einem anderen Ziel Kraft sammelte. Obwohl er sie nicht berühren konnte, sie nur als Gewicht unter seinem Arm spürte, wurde er die Pistole, der Spannmechanismus, die Kugel … potentielle Gewalt in sich selbst vernichtenden Hülsen.
    De Prey und Curzon trennten sich an der zweiten Kreuzung. De Prey und der grauhaarige Mann gingen nach rechts, Curzon und die beiden Leibwächter nach links. Damit hatte Steward nicht gerechnet, aber seine Schritte wurden nicht schneller. Er konnte sich darauf einstellen. Mit gesenktem Kopf schaute er forschend nach links und rechts, suchte nach einer Bewegung, die nicht hierher zu gehören schien, nach etwas Falschem … Er fand nichts. Von der Mitte der Straße aus kürzte er den Weg diagonal ab und verringerte damit den Abstand zu de Prey. Die Querstraße hieß Molybden-Weg. Er ließ den Aktenkoffer unter seinem Arm in die linke Hand herunterrutschen, und sein eigenes Gewicht öffnete ihn. Es kam ihm so vor, als ob er einen Windhauch auf seinem Gesicht spürte.
    Faden-Wetware berechnete Flugbahnen und Entfernungen. Ricot war so groß, daß der Molybden-Weg fast völlig flach und seine Krümmung kaum wahrnehmbar war. De Prey trug wahrscheinlich einen Panzer, und das bedeutete einen Kopfschuß. Steward war zuversichtlich, daß er mit Unterstützung der Fäden in seinen Nerven bis auf sechzig Meter alles treffen würde, was er treffen mußte, vorausgesetzt, das Zielbild war unkompliziert genug.
    Menschen wimmelten um Steward herum; sie waren mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Er fühlte, wie sich der Wirbelwind in ihm aufbaute, und verspürte eine innere Sicherheit. Dies würde gutes Zen sein.
    Er griff in den Koffer, zog die Pistole heraus, hob sie fast beiläufig auf Zielhöhe und feuerte aus einer Entfernung von etwas mehr als dreißig Metern einen einzigen Schuß ab. Die sich selbst vernichtende Hülse gab auf ihrem Weg ein sanftes, harmloses Zischen von sich, wie das Wispern von Wind. Der Mechanismus der Waffe klickte leise, als er die nächste Kugel in die Kammer gleiten ließ. Als de Preys Kopf in einem roten Sprühnebel zerplatzte, war Steward schon dabei, die Waffe in aller Ruhe wieder in den Koffer zu stecken, auf dem Absatz kehrtzumachen und in die andere Richtung zu gehen.
    Die Pistole fiel mit einem dumpfen Laut in den Koffer. Er drehte sich um und folgte Curzon. Die Menschen in der sich lichtenden Menge gingen einfach weiter.
    Reines Zen, dachte er. Die Bewegung war so natürlich gewesen, daß sie auch inmitten der Menschenmenge nicht fehl am Platz gewirkt hatte. Die Waffe hatte kein Geräusch gemacht, das die Menschen aus ihren Träumen nach Schichtende wecken konnte. Es würde ein paar Sekunden dauern, bis das Nachbild der Bewegung registriert wurde und die Menge dann reagierte … Bis dahin wollte Steward schon auf dem Weg sein, eine andere Person, eine andere Silhouette, eine andere Kugel.
    »He.« Bei der Unterbrechung summte Ärger durch Stewards Nerven. Das war zu früh. Jemand mußte ihn direkt angeschaut haben.
    »He. He, Sie.« Eine junge Stimme, immer noch voller Überraschung. Hinter ihm ein wachsender Tumult.
    »He, ich hab' das gesehen!« Beharrlich,

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