Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
Vom Netzwerk:
Hälfte der Lieder waren walisisch, und sie klangen wie Hymnen, die anderen waren schmutzige Rugby-Songs. Jetzt war die Stimme anders.
    »Jesus«, sagte Griffith. Ein Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus; es arbeitete sich auf seltsame Weise voran, nicht ganz plötzlich und auf einmal, sondern ruckweise, und breitete sich Zone für Zone über Griffiths Gesicht aus. »Das ist vielleicht 'ne Überraschung. Sie sehen gut aus, Captain. Setzen Sie sich!«
    Captain? dachte Steward.
    Griffiths Lächeln verblaßte. Sein Gesicht umwölkte sich beim kühlen Hauch der Erinnerung. »Ich hab' Sie seit den Eisfalken nicht mehr gesehen«, sagte er. »Seit wir von Sheol zurückgekommen sind.«
     

4
    Griffith aß sein Frühstück nicht, er zerfetzte es vielmehr, riß nervös Eier und Schinken auseinander, zerschnetzelte seinen Toast, aß hin und wieder einen Bissen und schob das Essen ansonsten auf dem Teller herum. Steward begriff, wie er so dünn geworden war. Während er zusah, wie Griffith sein Frühstück verstümmelte, erklärte Steward ihm, daß er ein Klon war und daß er zwar über die Ausbildung des Alpha, nicht jedoch über dessen Erinnerungen an Sheol oder irgend etwas danach verfügte.
    Griffith sah ihn an. »Er hat seinem Gedächtnis überhaupt kein Update verpaßt? Hat Ihnen gar nichts gegeben?« Steward schüttelte den Kopf. Griffith lehnte sich mit erstauntem Gesicht in seiner Nische zurück. »Warum nicht?« fragte er.
    »Hat er nicht gesagt.«
    »Scheiße.« Er rieb sich seinen Schnurrbart. Dann wurde sein Erstaunen zu wachsamer Besorgnis.
    »Dann ist er also tot, stimmt's? Sonst wären Sie nicht hier.«
    »Das ist richtig.«
    Griffith war einen Moment lang still. Seine wässerigen Augen schienen nach innen gerichtet zu sein und eine Landschaft der Erinnerung zu betrachten, die seinem Geist aufgedruckt war. »Wie ist es passiert?« fragte er. »Haben sie Ihnen das erzählt?«
    »Er ist auf Ricot getötet worden, oder vielleicht auf Vesta. Er war hinter Colonel de Prey her.«
    Wieder war Griffith einen langen Moment still. »Yeah«, sagte er. Die Stimme war nicht mißbilligend, aber auch nicht beifällig. »Das klingt nach dem Captain.« Dann fing er wieder an, sein Essen zu zerfleddern, langsam und ohne hinzusehen, was seine Hände taten. Steward beobachtete ihn. Er wollte nicht in Griffiths Wachtraum einbrechen, in seine Klage um jemanden, den er verloren hatte, ohne es zu wissen.
    Der Captain. Das war jetzt der Name der Alpha-Persönlichkeit. Er symbolisierte einen Rang, eine Autorität, an die Steward sich nicht erinnerte, besessen zu haben. Er war nicht einmal Offizier gewesen. Der Captain hatte erst auf Sheol Gestalt angenommen.
    Griffith legte Messer und Gabel weg und holte Luft. Er sah auf einmal blaß aus. Er entschuldigte sich und ging auf die Toilette. Als er zurückkam, hatte er wieder seine frühere Farbe. Er zündete sich eine Zigarette an und inhalierte.
    »Ich hab' irgendwas mit dem Magen«, sagte er. »Das verfolgt mich jetzt seit Tagen.«
    »Was machen Sie in Arizona?«
    »Ich wohne in einer Suite, die meine Firma hier hat. Ich bin sowas wie ein Handelsvertreter«, sagte er, »bei einem Laden namens Lightsource, Limited. Wir liefern verschiedene Arten von Kommunikations-Dienstleistungen für Unternehmen. Software mit der Aufgabe, besondere Probleme zu lösen, in spezielle Konfigurationen eingebaute Kommunikationsausrüstungen, solche Sachen. Haben Sie Arbeit?«
    »Im Moment nicht. Ich bin gerade dabei, ein paar Sachen auf die Reihe zu kriegen. Ich will versuchen, bei Starbright reinzukommen.«
    Griffiths Gesicht wurde wehmütig. »Wieder in den Raum, hm?« fragte er. »Ich wünschte, das könnte ich auch.«
    »Ich will reisen. Ich glaube, ich würde unruhig werden, wenn ich an einem Ort bliebe.«
    Griffith nickte und stieß eine Rauchwolke aus. »Ich würde die Mächte gern wiedersehen. In einer richtigen Mächte-Umwelt mit ihnen zusammenleben. Das vermisse ich am Weltraum am meisten. Die Mächte haben sich als das einzige da oben erwiesen, was den Trip lohnt.«
    »Finden Sie?«
    Griffith warf ihm einen Blick zu. »Der Captain war auch so. War nicht beeindruckt von ihnen. Sowas wie 'ne Blindheit bei ihm.« Er schüttelte den Kopf. »Aber wenn man ihnen begegnet, dann merkt man, wie sehr sie in sich ruhen. Wie real sie sind. Und man sieht, wie die Menschen im Vergleich dazu beinahe … durchsichtig sind. Als ob wir nicht wirklich da wären. Und man weiß, was für einen weiten Weg wir noch

Weitere Kostenlose Bücher