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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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kein Urteil fällen solle. Andere Spezies, andere Sitten.
    Manche Menschen waren so kühn gewesen, die Ansicht zu äußern, daß die Mächte in der Phase ihrer rassischen Dekadenz seien, daß ihre ritualisierte und autokratische Sozialstruktur auf eine Rasse hinweise, der die für eine raumfahrende, expandierende Kultur erforderliche Anpassungsfähigkeit verlorengegangen sei. Andere brachten die Möglichkeit zur Sprache, daß die Menschheit der Entwicklung der Polikorps zufolge in dieselbe Richtung steuerte. Wieder andere wiesen zur Widerlegung einfach auf den gewaltigen verbotenen Raumkegel hin. Falls die Mächte in einer Phase der Dekadenz sein sollten, war das nicht gerade ein Beweis dafür.
    Zeitgleich mit der Ankunft der Mächte waren infolge der militärischen und ökonomischen Desaster des Artefakt-Krieges die Äußeren Polikorps zusammengebrochen. Die übrigen Polikorps hatten die Scherben aufgesammelt, das Monopol der Äußeren Polikorps auf die überlichtschnelle Raumfahrt gebrochen und aus dem Scherbenhaufen zwei neue Handels-Polikorps gegründet, Consolidated Systems, das von dem von Menschenhand geschaffenen Planeten namens Wohnsatellit Ricot aus operierte, ein Projekt von Kohärentem Licht, das seine Gründer überlebt hatte, und Hellere Sonnen mit dem Hauptquartier auf Vesta. Diese beiden Systeme waren zum Teil im Besitz der Polikorps, die sie gegründet hatten, und existierten nur zu einem Zweck, nämlich um Handel mit den Mächten zu treiben. Anscheinend hatten die Mächte ebenfalls ein finanzielles Interesse an ihrer Existenz, denn sie lehnten alle weiteren Handelsangebote ab, selbst solche zu günstigen Bedingungen, wie sie ihnen von den Erdregierungen gemacht wurden.
    Auf der Erde gab es keine Mächte mehr. Sie hatten ein paar Monate auf der Erde gelebt und waren dann abrupt abgereist. Es gab ein von Consolidated Systems und Hellere Sonnen nicht dementiertes Gerücht, nach dem sich herausgestellt hatte, daß sie anfällig für die irdischen Bakterien waren. Sie lebten jetzt hermetisch abgeschirmt in den beiden Raumkolonien, hinter Siegeln, die sterile Isolation garantierten. Sie kommunizierten fast ausschließlich mit elektronischen Mitteln, selten von Angesicht zu Angesicht. Sie verkauften pharmazeutische Produkte, Bakterien, Landformungstechniken und Wissen und schlossen mit intelligenter Habgier Abkommen, um elektronische und pharmazeutische Produkte, Bakterien, Landformungstechniken und Wissen zu kaufen. Sie blieben rätselhaft.
    Steward sah sich Videos von den Mächten an, die nach ihrem ersten Erscheinen auf der Erde aufgenommen worden waren. Sie waren schneller, als es den Anschein hatte. Die Bewegungen wurden von schnellem Schlurfen, Hüpfen und Armwedeln begleitet, das Status und Einflußzonen definierte. Der muskulöse Kopf änderte seine Form wie ein zwischen Kaltfronten gefangener Ballon. Es war abstoßend und faszinierend.
    Griffith liebte sie. Steward konnte nicht verstehen, warum. Aber er fühlte, daß es sehr wichtig war, und sah sich die Videos immer wieder an. Er fand keine Antwort.
     
    Am nächsten Morgen sah er, daß Griffith draußen vor dem Coffee Shop auf ihn wartete, wo er eine Zigarette rauchte. Er wirkte energisch, fast nervös. Er trug Stiefel, ein kurzärmeliges Hemd mit offenem Kragen und schwarze Jeans. Ein Robotwagen glitt lautlos vorbei, umgeben von einem Hologramm-Halo, das die Darwin-Tage ankündigte.
    »Heh«, sagte Griffith. »Ich hab' meine Freundin nicht zu fassen bekommen. Sie ist nicht auf dem Planeten.«
    »Schon okay. Danke für den Versuch.«
    »Ich bleib' an ihr dran. Sie kommt nächste Woche zurück.«
    Griffith machte eine ruckhafte Kopfbewegung die Straße hinauf. »Wollen wir 'n Stück gehen? Ich hab' eine Idee.«
    »Klar.«
    Sie gingen die Straße entlang, ohne die Lotterieverkäufer zu beachten. Es war zu früh für die Ganoven, die lagen noch im Bett. Griffith bog ab und führte sie zu einem der verwilderten Parks der Stadt. Unterwegs musterte er Steward von oben bis unten.
    »Sieht aus, als wären Sie gut in Form. Haben Sie trainiert?«
    »Ja. Jeden Tag.«
    »Ich hab's schleifen lassen.« Griffith langte in seine Tasche, holte ein Taschentuch heraus und wischte sich die Stirn ab. Ein Inhalator mit komprimiertem Gas fiel ihm aus der Tasche und klapperte auf den Bürgersteig. Es war einer von der Art, wie ihn Asthmakranke und Leute benutzten, die sich Drogen in die Nase schossen. Griffith hob ihn kommentarlos auf und steckte ihn ein. Er sah

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