Die Stimmen des Flusses
erwiesen sich als äußerst gefährliche Falle. »Wir haben uns leidenschaftlich geliebt,Vater«, war sie fortgefahren, und noch leiser hatte sie hinzugefügt: »Ich bekenne, Ehebruch begangen zu haben,Vater.«
»Bereust du es?«
Wie könnte ich jemals meine Liebe zu Oriol bereuen?
»Ja,Vater.«
Nachdem er ihr eine strenge Buße auferlegt hatte, setzte Hochwürden August zur Absolutionsformel an, und als er beim »ego te absolvo a peccatis tuis in nomine« angelangt war, verstummte er. Unruhig hob sie den Kopf und sah ihn an.
»Du hast mir eine Falle gestellt.«
»Ich?«
»Was geschah wirklich am Todestag von Oriol Fontelles?«
»Das steht in den Akten zu dem Fall, die Sie bestimmt schon hundertmal gelesen haben. Schließlich stammen Sie im wesentlichen aus Ihrer Feder.«
»Verflucht sollst du sein.«
»Onkel!« rief sie in theatralischem Entsetzen. »Sie sind ungerecht. Sehr ungerecht.«
»Verflucht sollst du sein, weil du es mir gerade gebeichtet hast.«
Elisenda schwieg, sie gab sich demütig und in sich gekehrt. Tu immer, was du tun mußt, wenn du glaubst, es tun zu müssen. Hochwürden August seufzte und erhob sich mühsam.
»Das hast du absichtlich getan, um mir den Mund zu versiegeln.« Er ging im Raum auf und ab wie ein in die Enge getriebenes Tier: »Ich kann dir die Absolution nicht erteilen.«
»Sie haben sie mir schon fast erteilt.«
»Ich kann es nicht tun.«
Elisenda kniete noch immer auf dem Fußboden. Mit geschlossenen Augen sagte sie: »Was auch immer geschehen mag, Sie haben mir die Beichte abgenommen.«
»Die Beichte ist nicht vollendet. Ich habe dir noch nicht die Absolution erteilt.«
»Artikel neunhundertachtzig des kanonischen Rechts.«
»Was?«
»Wenn der Beichtvater nicht nachweisen kann, daß seine Zweifel an der Disposition des Pönitenten berechtigt sind, und dieser um die Absolution bittet, darf diese weder verweigert noch aufgeschoben werden.«
Stille. Tatsächlich hatte sie den Originaltext, den sie hundertmal geübt hatte, in leicht abgewandelter Form zitiert, aber sie zählte darauf, daß Hochwürden August sich nicht die Mühe machen würde, das nachzuprüfen. Sie wiederholte: »Im Kodex heißt es ›nachweisen‹.Von einem Verdacht ist nicht die Rede.«
»Du willst, daß ich nach deiner Pfeife tanze, nicht wahr?«
»Können Sie nachweisen, daß Ihre Zweifel an meiner Disposition berechtigt sind?«
Eine nicht enden wollende Minute lang standen sie einander gegenüber – auch Elisenda hatte sich erhoben –, dann sagte Hochwürden August Vilabrú mit brüchiger Stimme: »Ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, amen. Ich fordere dich auf, dem Postulator dieses Falles zu sagen, was du weißt, ihm zu erzählen, daß die Person, die sie morgen zu einem Ehrwürdigen ernennen werden, in einem ehebrecherischen Verhältnis gelebt hat und wahrscheinlich nicht gläubig war.«
»Die postume Notiz von Valentí Targa steckt voller Lügen. Ich will, daß die Leute Oriol Fontelles als den guten Menschen in Erinnerung behalten, der er war.«
»Dazu muß man ihn nicht heiligsprechen.«
»Ich will, daß er im Gedächtnis aller weiterlebt. Aller!«
»Du bist eine dreckige Hure, und wenn du noch so sehr meine Nichte bist.«
Hochwürden August bekreuzigte sich, erschrocken über seine eigenen Worte, und ging hinaus, zitternd, aufgewühlt, festen Schrittes auf seinen ersten Schlaganfall zu.
Vierzehn Tage nach diesem Unglück ließ Bibiana das Bettuch fallen, das sie mit Caterinas Hilfe gerade aufhängte, und sagte zu der Hausangestellten: »Lauf schnell, ruf die Herrin.«
Als Elisenda auf der Dachterrasse ankam, lag Bibiana auf dem Boden, in das feuchte Bettlaken gehüllt wie in ein Leichentuch, und sagte: »Mein Kind, es tut mir so leid, daß du nie lernen wirst, glücklich zu sein, darum ärgert es mich, daß ich sterben muß, weil ich dich nicht allein lassen will, aber nun werde ich endlich ausruhen. Weißt du, wie schlimm es ist, all das kommende Unglück zu kennen und es nicht aufhalten zu können?«
»Caterina, hol den Arzt. Schnell!«
Gib dir keine Mühe, Kind, ich weiß, daß ich gehe, ob der Arzt nun kommt oder nicht. Ich wollte dir so oft sagen, daß du nicht tun solltest, was du dir in den Kopf gesetzt hattest … Oft habe ich es nicht gewagt, weil ich wußte, daß du mir verboten hättest, dir auch nur den kleinsten Rat zu geben. Trotzdem hast du oft auch auf mich gehört. Mein Kind, du warst wie eine Tochter für mich, und
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