Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
Vom Netzwerk:
Lage nicht ausnutzen will.«
    »Targa hält sich an die Gesetze und sorgt für Recht und Ordnung. Er ist kein Verbrecher.«
    »Außer wenn er Kinder umbringt.«
    »Wenn du ihn anzeigen willst, weißt du ja, was du zu tun hast.« Sie schwieg einen Moment lang, um sich zu beruhigen. »Haben wir nicht schon oft genug über dieses Thema geredet?«
    »Nimmst du ihn etwa in Schutz?«
    »Nein. Er ist ein Barbar. Aber du hättest sehen sollen, wiees in Torena zuging, bevor er kam«, erwiderte sie heftig, während sie sich die Bluse aufknöpfte.
    Oriol wußte: Wenn er ihr jetzt antwortete, daß in Torena mehr Menschen am Leben gewesen waren, bevor Targa kam, wäre das das Ende. Und er begehrte sie zu sehr.Also schwieg er und ließ den Streit auf sich beruhen. Er dachte sogar, daß es ziemlich unvorsichtig gewesen war, ihn überhaupt vom Zaun zu brechen.
    Was die Befürchtungen der Militärführung und dieses Nachrichtendienstes betrifft, daß der Kriegsverlauf in Europa durch die Landung der alliierten Truppen im letzten Juni; nein, im Juni diesen; nein, dieses Jahres eine größere Regellosigkeit im Grenzgebiet zur Folge hat, so kann ich voller Stolz versichern, daß in der mir unterstellten Gebirgsregion keine verdächtigen Bewegungen festzustellen sind, soweit sich das in einem so großen und schwer zugänglichen Gebiet guten Gewissens behaupten läßt.
    »Ich liebe dich«, sagte er halbherzig, und sie lächelte, halbwegs versöhnt.
    Sie liebten sich, aber zwischen beiden hatte sich eine unmerkliche Kluft aufgetan. Er wußte, daß er, was auch immer geschehen würde, niemals mehr auf die Küsse, auf die Stimme, auf den Duft jener Frau würde verzichten können, und ihm war elend zumute.
    Bezüglich eines Ihrer letzten Schreiben, in dem Sie sich nach meiner persönlichen Sicherheit erkundigten, bleibt zu sagen, daß es zu früh ist, auf meine Leibwächter zu verzichten, wenn ich mich im Dorf aufhalte, denn noch immer gibt es lichtscheues Gesindel, das sich nicht mit der Wiederherstellung von Recht und Ordnung abfinden will, wo zuvor Chaos, Mord, Rache und Haß herrschten. Sie akzeptieren den Frieden nicht, den ich ihnen gebracht habe, und verstehen nicht, daß wir uns zu seiner Aufrechterhaltung gezwungen sehen, hart durchzugreifen, ganz im Sinne des Caudillo, der uns befohlen hat, bei der Wiederherstellung der vaterländischen und religiösen Werte nicht zimperlich vorzugehen, und im Geiste der von den Führern der Falange ausgegebenen Losung, die ich, so gut es geht; nein, im besten Sinne; nein, nach bestemWissen und Gewissen vertrete, wie ich hiermit ausdrücklich betonen möchte.
    Später lagen sie wortlos auf dem Bett, eine Handbreit Stille zwischen ihnen, und wortlos gingen sie auseinander. Elisenda verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzusehen. Auf dem Rückweg sagte sie kein einziges Wort zu Jacinto, starrte nur vor sich hin, als habe sie es eilig anzukommen. Und Jacinto dachte, heute haben sie sich gestritten. Heute haben sie nicht gevögelt. Sie haben sich gestritten, bevor sie zum Vögeln gekommen sind. Ein Hauch Nardenduft wehte zu ihm herüber, und er betrachtete sie im Rückspiegel. Senyora Elisenda weinte still vor sich hin. Mein Gott, was hat dieser Schuft ihr angetan, sie kann ja weinen, und ich kann nichts dagegen tun.
    Auch wenn es sich um eine unangenehme; nein: heikle Angelegenheit handelt, die schwerwiegende Folgen hätte, wenn sie bekannt würde, sehe ich mich gezwungen, Ihnen mitzuteilen, daß die diskrete Überwachung von Kamerad Oriol Fontelles durch ihm unbekannte Leute wieder aufgenommen werden muß, sobald er den Gemeindebezirk von Torena verläßt. Sie können sich nicht vorstellen, wie gerne ich bestätigt sähe, daß meine Befürchtungen hinsichtlich dieses Kameraden sich als falsch; nein: als unbegründet erweisen.
    Oriol war auf dem Bett sitzen geblieben und starrte in den Spiegel. Er vermißte Elisenda und fragte sich zugleich, ob es nicht unvernünftig war, sich Hals über Kopf in eine Frau zu verlieben, die unter anderen Umständen zweifellos auf der gegnerischen Seite gestanden hätte. Ob er mit seinem Leichtsinn nicht alle Großen Operationen dieser Welt aufs Spiel setzte. Nein, es war nicht Leichtsinn, es war Leidenschaft. Eine erwiderte Leidenschaft. Er stand vom Bett auf und bemerkte, daß der Nardenduft noch immer im Raum hing.
    Darüber hinaus wäre es ratsam, etwas über die Herkunft eines Hundes der Rasse Springer Spaniel in Erfahrung zu bringen. Der Köter, das Viech,

Weitere Kostenlose Bücher