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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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Sau, presente!«, »Viva Falange Española«, »Es lebe die nationalsyndikalistische Revolution« und »Arriba España« bald aus Torena verschwinden würden, damit sie wieder ihre Ruhe hatten. Bei der Beerdigung sprach der berühmte Claudio Asín, der Lieblingsideologe des verstorbenen Targa, seine Quelle, sein Wegweiser, sein Verständnis der Welt, des Lebens, des Vaterlands, auf dem Friedhof die treffenden Worte: »Da Kamerad Targa ein Sohn der Kälte ist, ist es nur folgerichtig, daß er auf einem Friedhof ruht, den der Nordwind umweht, wenn er auch gepflegt ist wie ein biblischer Garten, viva Franco, arriba España.« Pere Serrallac hatte, bezahlt aus dem Stadtsäckel,einen Grabstein für den Helden geschaffen, der nur knapp zwei Meter neben seinem besten Freund, dem Falangisten Fontelles, begraben wurde, einem weiteren Helden, und weniger als einen Meter neben seinem Opfer Joan Esplandiu, dem Ventureta.
    Die grimmigen Männer verschwanden ohne jede Erklärung. Nicht einmal dem neuen Bürgermeister berichteten sie, daß sie die Ermittlungen über den tragischen Tod des frühverstorbenen Kameraden Don Valentín Targa Sau als abgeschlossen betrachteten. Im offiziellen Bericht hieß es, sein Tod sei ein Unfall gewesen.Aber die Geschichte rechnet nicht damit, daß Helden auch Väter sind, und so kehrte Leutnant Marcó, nachdem der Racheakt vollzogen war, der ihn am Leben erhalten hatte, nicht nach Frankreich zurück, sondern stieg in die Hölle der Wut hinab und wartete im Wald. Er wollte das Begräbnis seines Feindes nicht versäumen, nicht den Schmerz seiner Angehörigen aus Altron, die zur Beerdigung gar nicht erschienen waren, oder seiner geschniegelten Kameraden. Und so saß er in der Eiche von Fanal, auf halber Höhe, rot von der Herbstkälte, und schaute hinüber zu der Beerdigung, zu der viele Menschen gekommen waren, viele uniformierte Männer der Falange, kein einziger Militär, die Bürgermeister von Sort, Rialb, Tírvia und Llavorsí und der eine oder andere Wortführer aus La Seu oder Tremp. Sieh an, die Burés von den Savinas, die Familie Narcís, Felip von den Birulés, klar. Die Majals. Und die Báscones vom Tabakladen. Aber er hörte nicht einen einzigen Klageruf. Leutnant Marcós Rachsucht war nicht befriedigt. Und als Pere Serrallac gegen Mittag, als die ersten verlockenden Düfte vom Dorf herüberdrangen, das Friedhofstor abschloß, stieg Ventura vom Baum herab, sprang über die Mauer, küßte den Grabstein seines Sohnes an der Stelle, an der »Familie Esplandiu« stand, traurig darüber, daß das Eisenkreuz schon verrostet war, sah mit einer bedauernden oder vielleicht entschuldigenden Grimasse zu Fontelles’ Grab hinüber, sagte, »Hallo, Eliot, mein Freund«, und ging zu dem anderen Grab.Er zog einen Hammer aus dem Hosenbein und schlug auf den Grabstein ein, den Serrallac gerade aufgestellt hatte und auf dem von nun an stand EX. ON VALE T ARGA S (Altron, 1902 – To na, 1953) Bür m er und Chef des Mov ien orena Das dank erland. Dann zerschmetterte er das Joch und die Pfeile. Während er diese Korrekturen vornahm, dachte er, eigentlich sollte auf dem Grabstein stehen, dieser Schweinehund ist mit einundfünfzig Jahren gestorben, angsterfüllt, weil er so viele Tote zu verantworten und auf seinem Weg so viel Haß gesät hat, daß er Stimme und Antlitz von Gevatter Tod schon kannte, bevor dieser zu ihm kam, amen. Er schlug gegen Altron, bis nur noch A t o übrigblieb, und hätte gerne weiter geschlagen. In seiner Begeisterung sprach er mit seinem Sohn, sagte ihm, wie ein Gebet, mein Schmerzenssohn, ich habe ihn umgebracht, und deine Mutter hat mir geholfen, und er weiß, daß er deinetwegen gestorben ist, mein Sohn, verzeih, daß ich zu spät gekommen bin, Joanet, aber ich war weit weg. Und jetzt ist alles gut, du kannst in Frieden schlafen, mein Sohn. Und laß auch mich schlafen. Und deine Mutter. Und deine Schwestern. Ich liebe dich, Joanet.
    Als er mit seiner heiligen Entweihung fertig war, nahm er ein Stück Kohle und schrieb: »Tod den Faschisten.« Auf Oriols Grab schrieb er »Eliot«, während er ihm sagte: Es kann nicht sein, daß du so hier liegst, noch heute werde ich meiner Frau erzählen, was du für uns getan hast, mein Freund; es gibt so vieles, was wir noch in Ordnung bringen müssen. Aber was kann ich schon tun? Ich muß mich in den Bergen verstecken, und die einzigen Getreuen, die immer um mich sind, sind Hügel, Gipfel, Hänge, Berge und Anhöhen. Das war schon immer so: Als

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