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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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schaden will.«
    »Der Lehrer ist kein Schuft, und er will dir auch nicht schaden«, sagte Targa aufs Geratewohl, ohne die Folgen seiner Worte zu bedenken. Oder vielleicht doch? Im Krieg ist alles erlaubt, und in den historischen Augenblicken des Lebens ist man besser nicht allein. Und wozu hat man Freunde, wenn nicht für solche Gelegenheiten? »Der Lehrer ist nur ein Patriot.«
    »Der Lehrer lügt.«
    Sie trat ein paar Schritte zurück und sah Valentí Targa in die Augen. »Verflucht sollst du sein, in alle Ewigkeit«, sagte sie aus tiefstem Herzen und ging.
    Trotzdem kehrte sie noch drei, vier Male ins Rathaus zurück, aber Valentí empfing sie nicht mehr, sondern ließ ihr durch den Schnauzbärtigen ausrichten, wenn sie ihn noch einmal belästige, wenn sie noch einmal wage, ohne ihren Mann im Schlepptau einen Fuß ins Rathaus zu setzen, wenn sie noch einmal Ärger mache, »dann erschießen wir ihn vor deinen Augen, klar?« Die Ventura ging schluchzend nach Hause und dachte, womit habe ich das verdient, und die Dorfbewohner sahen ihr voller Mitgefühl nach. Oder auch nicht. Sie bezahlt für ihren Mann, was soll’s. Wir sollten gehen und die Sache irgendwo anzeigen. Und wo willst du hingehen, du Närrin? Wenn du ihn anzeigst, giltst du für die als Verräterin, gehörst zum Maquis und bist dran. Zu wem willst du gehen? Zu diesem General Dingsbums? In Torena hat jetzt die Falange das Sagen, und damit basta. Und solange der Maquis in den Bergen Unfug treibt, wird das auch so bleiben. Aber mein Mann hat im Krieg doch gar nichts getan. Red du nur. Ich schwör’s dir; was meinst du, warum wir nicht nach Frankreich gegangen sind? Was soll denn schon passieren? Er wird ihm schon nichts tun, er ist doch noch ein Kind, seht ihr das nicht?
    Am Abend ging Rosa mit ihrem dicken Bauch zu Valentí und sagte: »Wenn Sie Mut haben, erschießen Sie mich, aberlassen Sie das Kind laufen.« Valentí hörte sie schweigend an, dann läutete er ein Glöckchen, und ein Uniformierter kam herein, der mit den Locken. Der Bürgermeister flüsterte ihm etwas ins Ohr, und der Lockenkopf ging hinaus. Valentí musterte Rosa, sein Blick blieb an ihrem Bauch hängen, dann sah er sie wieder von oben bis unten an und fragte: »Was ist los? Ist Ventura vielleicht aufgetaucht, und ich habe es noch nicht erfahren?« Sie legte ihm dar, warum man einen Vierzehnjährigen nicht töten dürfe, führte Grundsätzliches an wie, daß in diesem Alter alle unschuldig seien und daß im Dorf alle sicher seien, daß er nichts Unrechtes getan habe, und Nebensächliches wie, daß der Mord an einem Kind schwer auf seinem Gewissen lasten werde. Valentí ließ sie ihr Herz ausschütten, und als der erschrockene Oriol erschien, herbeigerufen vom Lockigen, richtete Valentí sich auf und sagte: »Herr Lehrer, Ihre Frau redet hier seit einer halben Stunde wirres Zeug zusammen; nehmen Sie sie bitte mit nach Hause, sie fängt an, mir auf die Nerven zu gehen.« Oriol packte sie am Arm und sagte leise, »Gehen wir, Rosa«, aber Rosa schüttelte seine Hand ab und ging allein nach Hause. Oriol wagte nicht,Valentí anzusehen, bis dieser sagte, »Hej«, und als Oriol den Kopf hob, zwinkerte Valentí ihm zu und sagte: »Weiber, das kennt man ja, verlieren gleich die Nerven, du mußt ganz ruhig bleiben wie heute in der Schule.«
    »Woher wollen Sie denn wissen, was ich heute in der Schule gemacht habe?«
    »Ich weiß alles. Ich habe ausgezeichnete Zuträger. Sie haben mir sogar zugetragen, daß die Pisuerga ein Zufluß des Tajo ist.«
    »Des Duero.«
    »Ich habe darin gebadet, als ich im Krieg gegen den Kommunismus dort in der Gegend war, und jetzt will deine Frau den Kommunismus wieder einführen und tut so, als handelte sie aus reinem Mitleid.«
    »Meine Frau will nicht …«
    »Ich habe dir ja schon gesagt: Weiber.« Er schlug eineSchublade zu: »Aber ich werde nicht länger dulden, daß man mir reinredet, wenn ich Ordnung schaffe. Weißt du denn nicht mehr, wie viele Soldaten der spanischen Armee bei dem Hinterhalt ums Leben gekommen sind?«
    Oriol Fontelles schwieg, und es krähte kein Hahn, weil es schon dunkel war. Er rang sich durch zu fragen: »Hat Ihnen Senyora Elisenda nicht gesagt, daß Sie damit aufhören sollen?«
    »Senyora Elisenda ist in Barcelona, sie muß mit ihrem Mann, dem Halunken, etwas Geschäftliches besprechen. Es geht um die Ländereien, die den Vilabrús und Vilabrús hier in der Gegend gehören. Willst du’s noch genauer wissen?«
    »Ich habe gefragt,

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