Die Strafe des Seth
Andenken vernichtet werden muss, damit die Götter ihn nicht finden können. Das gilt auch für ihren Balg, der Meritusir ständig an Amunhotep erinnern würde. Also solltest du dich auch dieses Knaben entledigen, wenn du sicher sein möchtest, dass sie dir in der anderen Welt ganz allein gehört.«
Ramses-Sethherchepeschef saß mit offenem Mund da und starrte entsetzt seinen obersten Ratgeber an. »Ich soll ein unschuldiges Kind töten?«, fragte er bestürzt. »Hast du den Verstand verloren?«
»Nein, Majestät! Dieses unschuldige Kind ist dem Samen deines verhassten Rivalen entsprungen. Es ist ein Teil von Amunhotep. Wäre es ein Mädchen, wäre das etwas anderes, doch dieser Balg ist die verkleinerte Ausgabe seines Vaters. Er wird Meritusir stets an Amunhotep erinnern.«
Betreten stützte Ramses-Sethherchepeschef den Kopf in die linke Hand. »Ich habe sicher schon viele Dinge getan, die gegen die göttlichen Regeln verstoßen haben, aber ein fünfjähriges Kind töten ...? Das kann ich nicht.«
»Es war nur eine Überlegung, Majestät« Lauernd blickte Senbi zum König.
»Und mit welcher Begründung soll ich Amunhotep vor ein Gericht stellen?«, fragte Ramses-Sethherchepeschef. Er war noch immer unentschlossen, obwohl der Hass auf den Osiris-Priester die Oberhand zu gewinnen drohte. »Soll ich ihn für seine lästernde Rede mit dem Tod bestrafen und ebenso seinen Sohn?«
»Nein, Majestät, es würde dein Volk sicher schockieren, wenn du für Majestätsbeleidigung oder selbst für einen Mord nicht nur den Täter, sondern auch den Sohn mit dem Tode bestrafst. Diese Meritusir war nur eine Priesterin. Wenn Amunhotep aber die Hand gegen dich erheben würde, würden alle nach Vergeltung schreien. Verbrechen gegen den Pharao oder die königliche Familie werden hart geahndet. Auch die engsten Angehörigen eines solchen Verbrechers werden belangt.«
»Kleine Kinder allerdings nicht«, gab Ramses-Sethherchepeschef zu bedenken, der noch immer nicht ganz begriff, worauf Senbi hinauswollte. »Wie aber sollte sich Amunhotep gegen mich oder ein Mitglied der königlichen Familie vergehen? Er steht unter Arrest, wird Tag und Nacht überwacht. Zudem glaube ich nicht, dass er zu einer solchen Tat fähig ist.«
Senbi grinste verschlagen. »Dann muss eben ein wenig nachgeholfen werden.« Er trat einen Schritt näher und sprach im gedämpften Ton weiter: »Wenn du dich entschließt, bei der Beisetzung der Priesterin anwesend zu sein, könnte ein loser Stein herabstürzen, der dich natürlich verfehlt. Du aber könntest behaupten, dass es ein Anschlag auf dein Leben war. Derjenige, der den Stein hat herabstürzen lassen, wird natürlich von den Getreuen gefasst. Immerhin muss er aussagen können, wer ihm den Auftrag dazu gegeben hat.«
Nachdenklich zog Ramses-Sethherchepeschef die Stirn kraus. »Das wäre natürlich eine Möglichkeit«, gab er zu, obwohl er nicht wusste, ob er sie gutheißen sollte oder nicht. Noch immer focht er einen inneren Kampf mit sich aus.
Er hasste den Osiris-Priester und hätte ihn schon seit Jahren lieber tot als lebendig gesehen. Grund dafür war Meritusir. Nun war sie für immer fort, zurückgekehrt zu den Göttern, die sie einst seinem Neffen gesandt hatten. Es war inzwischen einerlei, ob Amunhotep lebte oder nicht. Er stand nicht mehr zwischen ihm und Meritusir.
»Allerdings hat Senbi recht«, murmelte er kaum hörbar vor sich hin und führte seine Überlegungen in Gedanken fort, da sein Wesir überrascht zu ihm blickte.
Meritusir wird in den Binsengefilden auf Amunhotep warten. Gestatte ich ihm, weiterzuleben und sich nach seinem Tod mit allen Riten beisetzen zu lassen, steht er mir in der anderen Welt erneut im Weg. Und auch sein Sohn könnte zum Stolperstein werden. Er würde Meritusir stets an die Zeit mit Amunhotep erinnern.
Er räusperte sich und sah Senbi an. »Dein Vorschlag ist überlegenswert, Tjati. Es gäbe genug Zeugen, die bestätigen könnten, dass der Stein mich nur knapp verfehlt hat. Und wenn auch noch der Steinewerfer dingfest gemacht werden kann und aussagen wird, dass er von Amunhotep den Auftrag erhielt ...« Sein Gesicht hellte sich zusehends auf, und er begann zu lächeln. »Bintanat hat wirklich recht, Senbi. Du bist ein Dämon.«
Geschmeichelt erwiderte Senbi das Lächeln des Pharaos. »Danke, Majestät. Aus dem Munde jedes anderen wäre es eine Beleidigung, doch aus deinem ist es eine Ehre.« Er verneigte sich. »Wenn du es befiehlst, werde ich alles Nötige
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