Die Strafe - The Memory Collector
wird heute noch liefern, so oder so.« Er breitete die Arme aus. »Dann sind wir die Herren der Angst.«
Ron Gingrichs Adresse lag in einer Nebenstraße von Haight-Ashbury. Amy Tang wartete vor dem Wohnhaus und telefonierte. Jo knöpfte sich die Jacke zu. Der Wind peitschte ihr die Haare ums Gesicht, als sie zu dem magentarot bemalten Gebäude hinübertrabte.
Als wollte sie sich gegen die fröhlich poppigen Farben der Gegend verwahren, trug Tang schwarze Jeans, schwarzen Pullover, schwarze Stiefel. Sie sah aus, als hätte sie bei Baby Gap für Gruftis eingekauft.
Sie steckte ihr Telefon weg. »Ich habe Gingrich mitgeteilt, dass sein Chef tot ist. Er ist oben und heult wie ein Schlosshund. Du musst mir sagen, ob er sich verstellt.«
An der Ecke hinter Tang hingen drei abgerissene Teenager herum, die die Passanten anbettelten. Eins der Mädchen streckte die rechte Hand nach Geld aus und presste
sich mit der Linken ein Handy ans Ohr. Auf dem Pappschild zu ihren Füßen stand: Wenigstens bin ich keine Nutte.
Über knarrende Stufen stiegen Jo und Amy zu der Wohnung im zweiten Stock hinauf, in der Ron Gingrich mit seiner Freundin lebte. Vor der Tür war ein uniformierter Polizist postiert. Die kleine Wohnung machte einen leicht chaotischen, freundlichen Eindruck. Über das durchgesessene Sofa waren Batiktücher gespannt. Den Fernseher und das Bücherregal zierten Grünlilien. An den Wänden hingen Poster von Hendrix und Grateful Dead. In der Küche roch es nach Spiegeleiern mit Speck.
Gingrichs Freundin Clare war dünn und wirkte nervös. Das Gleiche galt für die drei Chihuahuas, die zu ihren Füßen herumtollten. »Sind Sie Psychiaterin? Bitte sagen Sie mir, was mit ihm los ist.«
Gingrich hockte im Wohnzimmer auf einem Sitzsack beim Erkerfenster. Er trug eine kurze Sporthose und ein Metallica-T-Shirt. Sein Pferdeschwanz war fettig. Mit leuchtenden Augen verfolgte er die Profiringkämpfe im Fernsehen.
Clare und die Hunde trippelten auf ihn zu. »Ron, Liebling, die Ärztin ist da, sie will dich sehen.«
Mit freundlicher Miene schaute Gingrich auf. »Hey, Sie sind doch die Psychiaterin aus dem Flieger.« Er erhob sich. »Mann, das war vielleicht gruselig. Haben Sie den Typen dann eingewiesen?« Er hielt Amy die Hand hin. »Ich heiße Ron.«
Tang kniff die Lippen zusammen. »Sie haben sich schon vor ein paar Minuten vorgestellt.«
Verwirrung huschte über Gingrichs Gesicht wie eine Nebelschwade.
»Klar. Wollen Sie mich wegen dem Kampf im Flugzeug vernehmen?«
»Nein«, antwortete Jo. »Es geht um Jared.«
»Rufen Sie ihn doch einfach an. Er spricht bestimmt gern mit Ihnen. Er ist zwar reich, aber Sie müssen sich nicht zuerst an mich wenden. Er ist total zugänglich.«
Tang bewegte sich unruhig und schielte zu Jo.
»Wollen Sie Kaffee? Clare, haben wir noch was von dem kolumbianischen?« Mit einem Lächeln schritt Gingrich voran in die Küche. »Wir haben noch nicht gefrühstückt - wollen Sie auch was?«
Clares Gesicht war eine starre Maske. »Vor einer halben Stunde hat er drei Eier mit Speck und Toast gegessen. Vor einer Viertelstunde noch mal drei Eier.«
Pfeifend zog Gingrich eine Bratpfanne heraus und schaltete den Herd an. »Wie mögen die Damen ihre Eier?«
Jo ignorierte Tangs düsteren Blick und trat in die Küche. »Ron, warten Sie mal.«
»Keine Eier für Sie?«
»Ich muss Sie was wegen Jared fragen.«
»Klar, aber warum so ernst?« Seine rot geränderten Augen musterten sie unbekümmert. »Was ist denn?«
»Es geht um die Party bei ihm gestern Abend.«
»Gestern Abend?« Er lächelte vage. »Kann ich mir nicht vorstellen.«
»Haben Sie den Sicherungsschalter im Poolschuppen umgelegt?«
Ron grinste. »Doc, ich glaube, Sie sind ein bisschen verwirrt. Ich bin gerade aus London zurückgekommen.«
»Ron, Jared ist tot.«
Er blieb wie angewurzelt stehen, ein Ei in der Hand. Einen atemlosen Moment lang wirkte er, als hätte ihn ein Hammer am Schädel getroffen. Dann sackte er nach hinten gegen den Herd. Nach Halt tastend, zerdrückte er das Ei auf der Küchentheke.
»Nein. Wie ist das …? Mann.« Er schaute seine Freundin an. »Clare, Jared ist … o Gott.«
Gingrich rutschte nach unten, bis er wie ein Häufchen Elend auf dem Boden kauerte und in Tränen ausbrach.
Jo bemerkte die rote Schramme an seinem Unterarm. Wie von einem stumpfen Nagel.
»Ron?«
Er vergrub schluchzend den Kopf in den Händen.
Jo wandte sich an Clare. »Er muss sofort ins Krankenhaus.«
Sie zückte ihr Handy
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