Die Strafe - The Memory Collector
klar, dass er mit dem Auftrag gescheitert war. Er stand mit leeren Händen in der Kälte und war auf sich allein gestellt. Er hatte das Zeug nicht aufgetrieben. Alles, was schieflaufen konnte, war schiefgelaufen, angefangen damit, dass Lesniak beschlossen hatte, sich aus dem Staub zu machen und den Stoff an einen zahlungskräftigeren Interessenten zu verkaufen. Um den Auftrag doch noch zu Ende zu bringen, musste Kanan auf seinen Notfallplan ausweichen.
Bei dem Gedanken, Alec gegenüberzutreten, breitete sich Angst in ihm aus wie Treibsand.
Kanan schob den Gedanken von sich und konzentrierte sich. Wenn seine Gedanken ins Schweifen gerieten, zerrannen die Dinge einfach. Und wenn er versuchte, sich an seine Gedankengänge zu erinnern, verlor er den Kontakt zu seinem Vorhaben. Er konnte keine neuen Erinnerungen bilden, und schon die räumliche Orientierung fiel ihm schwer. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Er musste sein Ziel im Auge behalten.
Wie aus dem Nichts hörte er plötzlich Mistys Lachen. Er sah vor sich, wie sie durchs Wohnzimmer rauschte und mit dem Daumen über die Schulter deutete, um Seth zu ermahnen. »Weg mit der Axt und ran an die Hausaufgaben, Kumpel.«
Seth hatte sie erstaunt angestarrt. »Mom, woher weißt du, dass man eine Gitarre Axt nennt?«
Daraufhin nickte Misty wie ein Headbanger und zeigte ihm den Heavy-Metal-Teufelsgruß.
Stöhnend klatschte Seth sich die Hände an die Stirn. »Ich habe keine Mutter mehr.«
Kanan hatte laut losgelacht. Gut, dass Kinder nicht alles über ihre Eltern wussten.
Doch jetzt musste er gegen die Tränen ankämpfen.
Er blickte auf. Zu seiner Überraschung marschierte er auf dem Lincoln Boulevard durch das Presidio und strebte auf die teure Wohngegend über dem China Beach zu. Seine rechte Hand umklammerte einen Zettel.
Auto.
Erst ein Transportmittel beschaffen, dann Waffen, anschließend die Liste abarbeiten. Er las ihre Namen auf seinem Arm und die Worte Sie sterben.
Das war ein klarer Plan.
Als er den Hügel hinaufstieg, wurde die Sonne stärker und vertrieb den Nebel. Die Anwesen stanken zwar nach Geld, aber in den Straßen war es ruhig. Nur gelegentlich schnurrte ein BMW auf dem manikürten Asphalt vorbei, doch ansonsten war keine Menschenseele zu sehen. Zu dieser frühen Stunde waren hier zu Fuß nur Hausangestellte unterwegs, die von der Bushaltestelle zur Arbeit hasteten.
Mit den Händen in den Taschen schlenderte er unbemerkt dahin. Vorn in der Auffahrt einer Villa im spanischen Stil stand ein Ford Navigator. Er hatte die Farbe von getrocknetem Blut und war aufgerüstet wie für eine Expedition auf den Mars. Frontschutzbügel, Spezialscheinwerfer, Gepäckhalter. Getönte Fensterscheiben. Fehlte nur noch das Maschinengewehr auf dem Dach.
Kanan spazierte auf den Wagen zu und achtete gleichzeitig aus dem Augenwinkel auf die Fenster des Hauses. Alles war ruhig und dunkel.
Schließlich trat er in die Auffahrt, dicht neben dem Navigator. Am Vorderrad bückte er sich rasch und strich mit der Hand über den inneren Rand des Kotflügels. Er tastete kurz herum und - bingo! Ein Magnetkästchen mit dem Reserveschlüssel. Die Unterseite des Kotflügels war ein ziemlich altmodisches Versteck und eigentlich keine besonders schlaue Idee. Aber ihm konnte es nur recht sein. In dem Kästchen befanden sich ein Schlüssel und ein Etui mit einer Fernbedienung für die Alarmanlage und die Wegfahrsperre. Kanan war klar, dass er nicht einfach mit der Fernbedienung die Tür entriegeln und dann den Schlüssel in die Zündung stecken konnte. Bei diesem Fahrzeug musste eine genaue Reihenfolge eingehalten werden. Ein Fehler genügte, und man landete mit gespreizten Beinen auf der Straße, die Hände über dem Kopf verschränkt und den Lauf einer Polizeiwaffe im Nacken.
Vorsichtig ließ er den Schlüssel zur Hälfte ins Schloss gleiten, bis er ein winziges Klicken spürte. Er drückte auf die Fernbedienung, und die Lichter blitzten auf. Dann schob er den Schlüssel ganz hinein und tippte wieder auf die Fernbedienung. Der Navigator piepte.
Er öffnete die Fahrertür, setzte sich hinters Steuer und startete den Motor. Die Heizung sprang an, und die Stereoanlage dröhnte in voller Lautstärke los. »Everybody Hurts« von REM. Ausgerechnet. Er schmeckte Galle. Alle Menschen leiden? Von wegen. Der Typ, dem dieses Haus gehörte, der diese Luxuskarre fuhr und in behüteter Abgeschiedenheit lebte, litt bestimmt nicht. Kanan drehte die Anlage leise.
Dabei entdeckte er die
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