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Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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trug seinen weißen Kittel über einem Hemd aus feinster Makobaumwolle.
    »Hallo, Rick.«

    Als er sich ihr zuwandte, tauchte der Bildschirm sein Gesicht in einen seltsam hohlen Schein.
    Der ebenfalls anwesende Radiologe Dr. Chakrabarti bedachte Jo mit einem steifen Nicken und zeigte mit dem Stift auf den Monitor. »Mr. Gingrichs Kernspintomogramm.«
    Die Bilder reihten sich verstörend aneinander wie Andy Warhols Siebdruckreihen »Skulls« und »Shadows« zum Thema Tod.
    Was war das?
    Jo zwang sich, langsam zu atmen. Bei ihrer Ausbildung und später in der Praxis hatte sie gelernt, sich gegen Hinweise auf eine katastrophale Diagnose abzuschirmen. Sie zog einen Schutzwall um ihre Emotionen, der durchlässig für Empathie war, aber nicht so durchlässig, dass sie in die Tragödie des Patienten hineingezogen wurde.
    Und eigentlich konnte sie nichts überraschen, was mit dem menschlichen Körper geschah.
    Zumindest hatte sie das geglaubt. Aber als sie wie erstarrt die neuen Aufnahmen musterte, wäre sie am liebsten weggerannt.
    Die gleichen schwarzen Streifen, die sich durch Ian Kanans Gehirn zogen, waren auch in Ron Gingrichs mittleren Schläfenlappen auf dem Vormarsch. Aber was taten sie genau? Wuchsen sie? Fraßen sie sich voran?
    »Sind Sie sicher, dass der Apparat richtig funktioniert?«, fragte Jo.
    Die Neonröhren in den Lichtkästen summten wie Hochspannungsmasten. Simioni verschränkte die Arme und fixierte den Monitor. Chakrabarti hatte den Blick überhaupt
nicht abgewandt, als wäre er hypnotisiert von den warholartigen Bildern.
    »Ein Fehler ist ausgeschlossen«, antwortete der Radiologe. »Beide Kernspintomographen liefern die gleichen Aufnahmen. Ich weiß nicht, was das ist.«
    Jo schaute Simioni an. »Rick?«
    Simioni konzentrierte sich auf den Bildschirm. »Ein natürliches Nervengift? Ein tropischer Parasit? Etwas, womit sie beide im Flugzeug in Berührung gekommen sind?«
    »Ein industrieller Schadstoff?«, ergänzte sie. »Eine Kontaminationssubstanz aus der Hightech-Produktion?«
    »Eine interessante Möglichkeit.«
    »Kanan arbeitet für ein Nanotechnologie-Unternehmen.«
    Beide fuhren herum. Simionis Augen flackerten. »Tatsächlich?«
    »Tatsächlich.«
    Es klopfte, und Amy Tang steckte den Kopf durch die Tür. »Im Jachthafen ist was passiert. Da gibt es vielleicht einen Zusammenhang. Ich muss gleich rüber.«
    Jo nickte, und Tang verschwand.
    Sie wandte sich wieder den Kernspinaufnahmen zu. »Irgendwelche Ideen?«
    Simioni wirkte nachdenklich. »Zurzeit wird erforscht, inwieweit Nanotechnologie zur Behandlung von Gehirntumoren verwendet werden kann. Die Behandlung von Hirnkrebs ist äußerst schwierig, weil viele Krebsmedikamente aus Molekülen bestehen, die zu groß sind, um die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und den Sitz des Tumors zu erreichen. Die Schranke lässt nur die wenigsten Wirkstoffe durch. Nur sehr kleine Substanzen können eindringen.«

    »Sind Nanopartikel klein genug?«
    »Manche schon. Aber Chemotherapie mit Nanopartikeln ist problematisch. Wenn die falschen Wirkstoffe die Schranke überwinden, können sie ernste Gehirninfektionen auslösen, die hartnäckig und schwer zu behandeln sind. Und einige Nanopartikel transportieren zwar Krebsmedikamente, aber sie richten sich nicht nur gegen Tumoren, sondern sammeln sich auch im umliegenden gesunden Gewebe an.«
    »Das heißt, Nanopartikel sind unter Umständen ein trojanisches Pferd«, resümierte Jo. »Sie können die natürliche Abwehr des Gehirns überlisten und schweren Schaden anrichten.«
    »Genau.«
    Wieder starrten sie zu dritt auf den Monitor.
    Schließlich deutete Simioni auf die Bilder von Gingrichs Gehirn. »Aber was die Blut-Hirn-Schranke überwinden und sich genau in diesem bestimmten Sektor einnisten kann, weiß ich nicht.«
    »Wo ist Mr. Gingrich jetzt?«, fragte Jo.
    »Oben. Wir haben ihn aufgenommen.« Simionis Blick hing am Bildschirm.
    »Ist es ansteckend?«
    Er schaute sie an. »Hoffentlich nicht.«

KAPITEL 15
    Aus dem überfüllten AirTrain beobachtete Stef Nivesen die Wolken über dem Küstengebirge. Sie waren so hell, dass sie das Sonnenlicht noch zu verstärken schienen. Wie Filmscheinwerfer am Himmel.
    Der Zug ratterte über die erhöhte Bahnstrecke auf den San Francisco International Airport zu. Eingeklemmt in einer Ecke, umklammerte Stef den Griff ihres Rollkoffers. Sie wahrte das Gleichgewicht, als sich der Zug in eine Kurve legte. Den Blicken der Männer um sie herum schenkte sie keine Beachtung. Sie

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