Die Strafe - The Memory Collector
zusammenzufügen?«
»War es sein Boot?«
»Wohl kaum. Nach den Angaben des Jachthafens gehört die Somebody’s Baby der Firma Chira-Sayf.«
»Was?«
»Ja. Seltsamer und seltsamer. Das …« Tang schaute zum Fenster hinaus. »Ist das nicht dein Nachbar?«
Draußen auf dem Gehsteig winkte Ferd.
Jo hob die Hand zu einer halbherzigen Erwiderung. »Mach jetzt bloß keine plötzlichen Bewegungen, sonst fasst er das als Einladung auf und steht im nächsten Moment auf der Schwelle.«
»Sein Äffchen ist doch wirklich putzig«, bemerkte Tang.
Mr. Peebles hockte neben Ferd. Er trug einen winzigen Lampenschirm auf dem Kopf wie einen Fez.
Amy stichelte weiter. »Wenn ich du wäre, würde ich hier meine Zelte abbrechen. Alles liegen und stehen lassen und einfach abhauen.«
»Meinst du, in anderen Stadtteilen gibt es weniger Exzentriker?«
Ferd deutete auf Jos Eingang und trottete los.
»Mist, bin gleich wieder da.« Als Ferd klopfte, öffnete sie die Tür nur so weit, dass sie sein Gesicht erkennen konnte. »Hi, tut mir leid, aber im Moment passt es gerade gar nicht.«
»Ich hab nur ein paar kurze Fragen zum Affenvirus.«
»Kann ich dich später anrufen?«
Er rieb sich über die Kehle. »Ich mach mir echt Sorgen. Kann ich mich damit anstecken?«
»Mann, Mr. Peebles hat kein kongolesisches Affenvirus. Also kannst du dich auch nicht anstecken.«
Mit einem spitzen Schrei flitzte der Affe durch Ferds Beine und an Jo vorbei durch die Tür.
»Ferd, hol ihn zurück.«
Jo rannte dem Weißschulterkapuziner nach, Ferd und Tang folgten. Mr. Peeples hüpfte auf den Tisch und fegte
durch ihre Notizen. Dann zerrte er ihre Umhängetasche auf und wühlte darin herum.
In aller Ruhe trat Tang an den Tisch und nahm ihn fest. Er hatte einen Lippenstift in der Hand. »Hab ich dich, du kleiner Dieb.«
Ferd sammelte Jos Notizen auf. »Siehst du, wie zappelig er ist?«
Mr. Peebles drehte den Lippenstift und fuhr sich damit wild übers Gesicht. Als Tang ihn an sich nehmen wollte, stach er damit nach ihr wie mit einem blassrosa Schnappmesser.
»Schau ihn dir an, er ist einfach nicht mehr er selbst«, jammerte Ferd.
»Er ist völlig er selbst«, erwiderte Jo. »Ferd, ihm fehlt überhaupt nichts. Und dir auch nicht.«
Tang wand dem kleinen Tier den Lippenstift aus den Fingern und hielt ihn Jo hin.
»Den fass ich nicht mal mit der Zange an.« Sie holte den Papierkorb.
Tang warf den Lippenstift hinein und streckte Ferd den Affen hin, aber der hatte den Blick abgewandt.
Er starrte auf Jos Notizen. »Willst du Chira-Sayf-Aktien kaufen?«
Jo raffte die Notizen an sich. »Nein. Und tut mir leid, aber das geht dich nichts an.«
»Aber du interessierst dich für den Namen des Unternehmens, oder?« Er schob die Brille hinauf. »Chiralität bezieht sich auf die Art, wie Kohlenstoffnanoröhren gefaltet werden können.«
»Ah, verstehe.«
»Sie werden bei hohen Temperaturen hergestellt und können gefaltet, gerollt oder von Spitze zu Spitze zusammengebogen werden. Damit kriegen sie einen bestimmten Drall.«
»Danke.« Sie überlegte kurz. »Weißt du was über das Unternehmen?«
»Nicht viel. Sie machen zivile und militärische Projekte. Abgefahrenes Zeug.« Wie ein Specht tippte er mit dem Finger auf den Ausdruck. »Sayf ist ein arabisches Wort für Schwert.«
Tang trat heran. »Arabisch? Komische Wahl bei einer Firma aus Silicon Valley.« Sie warf Jo einen kurzen Blick zu. »Nichts für ungut.«
»Fang bloß nicht wieder an.«
Amy zog Jo gern mit ihrem panglobalen Erbe auf. Jos Großvater väterlicherseits war ägyptischer Christ und ihre Großmutter mütterlicherseits eine Armeebraut aus Osaka gewesen. Der Rest der Familie bestand aus lauten, streitlustigen Iren. Man musste sie nur zum Weihnachtsessen an einen Tisch setzen und ein bisschen Pfeffer drüberstreuen, dann konnte man zusehen, wie sie aneinandergerieten. Jo liebte ihre Verwandten, aber im Moment hatte sie keine Lust auf eine Diskussion über den Nahen Osten.
Sie wusste nur zu gut, dass viele Amerikaner alles Arabische mit Argwohn betrachteten - inklusive der Sprache. Es hatte keinen Zweck, Tang zu erklären, dass die Kopten in Kairo zwar schon seit vierzehnhundert Jahren Arabisch sprachen, dass sich manche von ihnen aber trotzdem nicht für Araber hielten. Sie beriefen sich noch immer auf die Eroberung Ägyptens durch die Araber im 7. Jahrhundert.
»Lassen wir das. Ich bin Psychiaterin, keine Kriegerin.«
»Ich wollte dir bestimmt nicht zu nahe treten«,
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