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Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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die Augen, wurde ganz still und lauschte. Sie hörte Kunden im Laden und eine Registrierkasse, aber keinen Hochleistungsmotor.
    »Kommen Sie.«
    Sie schob den Riegel zurück und lehnte sich vorsichtig hinaus. Die Gasse war leer.
    Sie hastete hinaus. Auf der anderen Straßenseite, nach einer plattgewalzten Mülltonne, die ihren Inhalt ausgespien hatte wie ein ausgeweideter Fisch, war die Tür eines anderen Geschäfts mit einem Keil festgeklemmt.
    »Hier rein.« Sie drückte sich das Telefon ans Ohr. »Gabe, bist du noch dran?«

    »Bin fast beim Auto.« Er atmete schwer.
    »Wir gehen jetzt in einen Laden an der Fifteenth Street. Hoffentlich höre ich bald Sirenen.«
    Shepard streckte den Arm aus. »Keine Polizei.«
    Sie fuhr herum. »Was?«
    »Keine Polizei.«
    Angst und Wut ließen sie zusammenzucken wie unter einem Peitschenhieb. »Ohne mich.«
    Sie hetzte durch die Tür in einen schummrigen Korridor. Shepard trampelte ihr nach, dass jeder Schritt von den Wänden widerhallte.
    »Sagen Sie der Polizei, es war ein falscher Alarm.« Er schnaufte. »Sie verstehen das nicht.«
    »Was verstehe ich nicht? Kanan ist gefährlich, er ist bewaffnet, und er ist hinter uns her.«
    Aus dem Korridor gelangten sie in den hinteren Teil einer Reinigung. Von einer mechanischen Schiene an der Decke baumelten Kleider in Plastikfolien. Der in der Luft hängende Gestank von Reinigungschemikalien trieb ihr das Wasser in die Augen. Jenseits einer Trennwand saß ein gelangweilter Angestellter auf einem Hocker und las in einer Zeitschrift.
    Auf dem Schaufenster stand in roten Lettern ein Schriftzug. Die Straße vorn war ruhig. Auf der gegenüberliegenden Seite parkten ein paar Autos und Motorräder schräg am Bordstein.
    Sie senkte die Stimme. »Kanan ist hinter Ihnen her, aber ich bin hinter ihm her. Er muss dingfest gemacht werden, und das überlasse ich gern der Polizei.«
    Shepard keuchte. Schweiß glänzte auf seiner Stirn und
befleckte sein Hemd. Durch seine grauen Augen wogte Schmerz und eine Ratlosigkeit, die sie nicht zu deuten vermochte.
    »Stimmt es, dass er in fünf Minuten vergessen hat, uns gesehen zu haben?«
    »Ja«, antwortete sie. »Aber das heißt nicht, dass er die Jagd auf Sie aufgibt. Kann sein, dass er den Block stundenlang umkreist. Vielleicht versteckt er den Geländewagen und legt sich auf die Lauer. Rechnen Sie nicht damit, dass er einfach weggeht. Er wird nicht verschwinden. Er hat einen Auftrag. Einen Auftrag, der für ihn nie enden wird, auch wenn er ihn erfüllt hat.«
    Shepard zitterte zwar nicht, aber er wirkte so benommen, als hätte er gerade von einer unsichtbaren Hand einen Schlag ins Gesicht erhalten.
    »Ich kann ihn nicht der Polizei ausliefern«, krächzte er.
    »Warum nicht? Sagen Sie mir, warum Sie keine Polizei wollen.«
    Shepard wirkte wie jemand, dem über ein verborgenes Kabel alle Energie abgezapft worden war.
    »Ich kann es nicht. Er ist mein Bruder.«

KAPITEL 18
    Kanan fuhr auf der Albion Street Richtung Süden. Er umklammerte das Steuer, als wollte er ihm den Hals umdrehen. Der Blinkanzeiger leuchtete. Dann erreichte er die Sixteenth Street. Den GPS-Anweisungen folgend, bog er links ab. Der schwere Geländewagen schob sich um die Ecke.
    Sein Puls schwirrte. Er fuhr einfach nur im Mittagsverkehr, aber sein Atem ging schnell. Irgendwas war los. Etwas Wichtiges. Er schaute auf den Post-it-Zettel am Armaturenbrett.
    Alec in Benz.
    Während er auf der Sixteenth dahinrollte, suchte er die Straße vor sich ab. Der Tag schien außerordentlich klar. Die Sonne tauchte die Wolken in prismatische Helligkeit. Die Freileitungen waren so scharf konturiert, dass er glaubte, den Strom darin fließen zu sehen. Er war sich sicher, dass er die Autos, Lastwagen und Busse zählen, ihren jeweiligen Prozentsatz überschlagen und sogar ihr Tempo errechnen konnte, wenn er nur beobachtete, wie schnell sie von einem Telefonmasten zum nächsten gelangten. Die Szenerie auf
der Straße wirkte zeitlupenhaft im Vergleich zu der Geschwindigkeit, mit der sein Gehirn arbeitete.
    Wieder blickte er aufs Armaturenbrett. Neben der Notiz über Alec hing ein weiterer Zettel. Ärztin - blauer Tacoma. Darunter das Kennzeichen. Er hatte keine Ahnung, worum es da ging, also hielt er weiter Ausschau nach Alec, der sich hier irgendwo herumtreiben musste. Wenn er hier im Mission District herumkurvte, konnte es dafür nur einen Grund geben: Sein Bruder war hier.
    Er bremste. Tatsächlich - dort parkte der Mercedes. Niemand saß drin. Sein

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